Bilderbuch Ruppichteroth

Gedenkfeier 1.7.2021 - Vortrag zur Geschichte der Ruppichterother Synagoge 1921 - 2021

Vortrag anläßlich des 100. Jahrestags der Einweihung der ehemaligen Synagoge am 1.7.2021, 11 Uhr
von Wolfgang Eilmes

Die ehemalige Synagoge in Ruppichteroth ist „der einzige erhaltene Synagogenbau des Rhein-Sieg-Kreises“.
Wir stehen hier in einem Teil unseres Ortes, den ich bei  Führungen zur jüdischen Geschichte als das „jüdische Viertel“ von Ruppichteroth bezeichne. Von den ca. 40 jüdischen Bewohnern um 1920 wohnten hier die Familien Hermann Gärtner, Simon Gärtner, Gustav Gärtner, Moses und Oscar Hess, Fritz Marx und Julius Nathan (heutige VR-Bank).
Die Geschichte der Synagoge Ruppichteroth kann nicht hinreichend erklärt werden, ohne die Verbindung der Ruppichterother Juden zu den Nümbrechter Juden zu erwähnen.
Wirtschaftlich waren beide Gruppen sehr unterschiedlich aufgestellt und voneinander unabhängig.
Fast alle Ruppichterother Juden waren Metzger und/oder Viehhändler, was vor allem an der damaligen Bröltaleisenbahn und dem dadurch ermöglichten Handel lag. Einige von ihnen waren, wie Wolfgang Hess in seinem Buch schreibt „recht wohlhabend“.
Ihre Religion übten sie gemeinsam in der Synagoge in Nümbrecht aus, die schon 1828 auf dem heutigen Marktplatz (neben der heutigen Eisdiele) errichtet wurde. Eine beeindruckende Stele erinnert dort heute hieran.
Den ersten Nachweis jüdischer Bevölkerung in Ruppichteroth haben wir aus den Mitgliederlisten der Synagogengemeinde Nümbrecht:
Dort wird 1835 wird ein Moses Lazarus geführt, der seit 1807 in Ruppichteroth ansässig war.
Die Ruppichterother Juden begaben sich also zum Gottesdienst jede Woche auf den ca. 10 km langen Weg zur Synagoge nach Nümbrecht (zu Fuß oder seltener per Kutsche) oder bei Todesfällen (bis 1930) zum Nümbrechter Friedhof. Moses Hess schreibt, dass man für diesen Weg etwa 2 Stunden brauchte (plus Rückweg).
Über das Verhältnis der Nümbrechter und Ruppichterother Juden schrieb Karl Schröder (1974): „Seit Ende des 19. Jahrhunderts gewannen die Ruppichterother Juden immer größeren Einfluß in der Synagogengemeinde Nümbrecht und stellten – sehr zum Unwillen der Nümbrechter Juden – eine Reihe von Repräsentanten und Vorstandsmitgliedern.“
Zum Gebet traf man sich aber auch immer öfter im Privathaus der Familie Marx in der Wilhelmstraße in Ruppichteroth. Als sich jedoch die Zahl der Ruppichterother Juden im Laufe der Zeit erhöhte, wuchs um die Jahrhundertwende der Wunsch „im hiesigen Ort ein Bethaus zu errichten und dem Bedürfnis entsprechend, einen Gottesdienst nach Vorschrift abhalten zu können“. Hierzu gründete man am 22.12.1900 einen Verein unter dem Namen „Chewre Kedische“, der 14 Familienoberhäupter unter dem Vorsitz von Simon Gärtner angehörten. Die Original-Urkunde wurde 2006 von Sven Seuthe an  Herbert Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, übergeben.
05.08.1920: Grundsteinlegung der Synagoge (Quelle: Jüdischer Bote vom Rhein)
Zitat aus dem Bericht: „Hierauf sprach der katholische Pfarrer und wies auf das schöne friedliche Zusammenleben der Bewohner hin und wünschte der Gemeinde Glück zu dem Werke“
01.07.1921: Einweihung der Synagoge (Quelle: Jüdischer Bote vom Rhein, recherchiert von Herrn Frederik Grundmeier vom LVR-Freilichtmuseum in Lindlar)

Zitate aus aus dem Bericht:
„3-tägiges Fest der gesamten Bevölkerung“
„Ein Vertreter der Gemeinde überreichte den Schlüssel mit herzlichen Worten, in denen er das gute Einvernehmen der drei Konfessionen in unserem kleinen Ort hervorhob, und in denen er der Hoffnung Ausdruck gab, daß die schmutzige Welle des Antisemitismus, wie seither auch fernerhin nicht die Eintracht unsereres Ortes stören möge.“

„Allgemein fiel den Teilnehmern die innige Anteilnahme aller Bürger, die Straßen und Häuser festlich geschmückt hatten, auf. Hoffen wir, daß die Worte des Herrn Rabb. Dr. Kober, daß das Gotteshaus eine Heimstätte echten Judentums werde, sich ebenso bewahrheiten wie die Worte des Vertreters der weltlichen Behörde, welcher wünschte, dass ihm Gutes entströme zum Wohle des ganzen Ortes."
10.11.1938: Brandanschlag von SS-Leuten aus Gummersbach auf die Synagoge im Rahmen der Ereignisse der sog. Reichspogromnacht
Dazu nur in Kurzform:
Wir können heute nur deshalb hier vor den Außenmauern der ehemaligen Synagoge stehen, weil diese aus Stein gebaut war und diese Grauwacke nicht brannte.  
1939: Verkauf der Synagoge, Umbau und Nutzung als privates Wohnhaus
Das zerstörte Synagogengebäude nahm vorübergehend Aussiedler aus dem Saarland auf, später erwarb es ein Druckereibesitzer.
Mit Schreiben vom 15.3.1989 hat der Landschaftsverband Rheinland das Gebäude als Baudenkmal deklariert.
1959/1960 wurde das Gebäude nach Plänen des Benrother Architekten Friedhelm Osterhammel erneut umgebaut, der auf nunmehr 3 Stockwerken 3 abgeschlossene Wohnungen einrichtete.
Nach einstimmigen Beschluß durch den Gemeinderat kaufte die Gemeinde Ruppichteroth 2019 das Gebäude, es wird derzeit weiterhin zu Wohnzwecken genutzt, eine Kommission unter Leitung von Bürgermeister Loskill befasst sich mit Gedanken und Planungen zu einer zukünftigen anderen Verwendung.

For our English-speaking readers

Historical overview: 100 years ago: inauguration of the Ruppichteroth synagogue

Historical report on the occasion of the 100th anniversary of the inauguration of the former synagogue on July 1, 2021, 11 a.m.
by Wolfgang Eilmes
The former synagogue in Ruppichteroth is  the only remaining synagogue building in the Rhein-Sieg district.
We are standing here in a part of our town  that I refer to as the “Jewish Quarter” of Ruppichteroth on my guided tours on Jewish history. Of the approx. 40 Jewish residents around 1920, the families of Hermann Gärtner, Simon and Gustav Gärtner, Moses and Oscar Hess, Fritz Marx and Julius Nathan  lived here.
The history of the Ruppichteroth synagogue cannot be adequately explained without mentioning the connection between the Ruppichteroth Jews and the Nümbrecht Jews.
Economically, both groups were set up very differently and were independent of each other.
Almost all Ruppichterother Jews were butchers and / or cattle dealers, which was mainly due to the Bröltal-railway that madecattle trading possible. Some of them were, as Wolfgang Hess writes in his book (A Refugee’s Journey), “quite wealthy”.
They practiced their religion together in the synagogue in Nümbrecht, which was built in 1828 on today's market square (next to today's ice cream parlor). An impressive stele reminds of this today.
We have the first evidence of the Jewish population in Ruppichteroth from the membership lists of the Nümbrecht synagogue community:
A Moses Lazarus, who had lived in Ruppichteroth since 1807, is listed there in 1835.
The Ruppichterother Jews went to worship every week on the approx. 10 km long way to the synagogue in Nümbrecht (on foot or less often by carriage) or in the event of deaths (until 1930) to the Nümbrecht cemetery. Moses Hess writes that it took about 2 hours for this way (plus the way back).
Karl Schröder (1974) wrote about the relationship between the Nümbrecht and Ruppichterother Jews: “Since the end of the 19th century, the Ruppichterother Jews have gained ever greater influence in the Nümbrecht synagogue community and - much to the displeasure of the Nümbrecht Jews - provided a number of representatives and board members. "
But more and more people met for prayer in the private house of the Marx family on Wilhelmstrasse in Ruppichteroth. However, as the number of Ruppichterother Jews increased over time, at the turn of the century the desire "to build a house of prayer in the local area and to meet the need to be able to hold a divine service according to regulations" grew. For this purpose, an association was founded on December 22nd, 1900 under the name "Chewre Kedische", which included 14 heads of families under the chairmanship of Simon Gärtner. The original certificate was handed over in 2006 by Sven Seuthe to Herbert Rubinstein, managing director of the regional association of the Jewish communities of North Rhine. Moses Hess had given it to his friedn Gustav Seuthe.
08/05/1920: Laying of the foundation stone of the synagogue (Source: Jüdischer Bote vom Rhein)
Quotation from the newspaper report: "The Catholic pastor spoke and pointed to the beautiful peaceful coexistence of the residents and wished the community luck with the work"
July 1st, 1921: Inauguration of the synagogue (source: Jüdischer Bote vom Rhein, researched by Frederik Grundmeier from the LVR open-air museum in Lindlar)
Quotes from the report:
"3-day festival of the entire population"
“A representative of the community presented the key with warm words, in which he emphasized the good understanding of the three denominations in our little town, and in which he expressed the hope that the dirty wave of anti-Semitism, as since then, not the unity disturb our place. "
...
“In general, the participants noticed the heartfelt sympathy of all the citizens who had festively decorated the streets and houses. Let us hope that the words of the Lord Rabb. Dr. Kober, that the house of God will be a home of real Judaism, is just as true as the words of the representative of the secular authority, who wished that good should flow out of him for the benefit of the whole place.
11/10/1938: The synagogue was arson attacked by SS men from Gummersbach as part of the so-called Reichspogromnacht
Only in short form:
Today we can only stand here in front of the outer walls of the former synagogue because it was made of stone and this Grauwacke did not burn.
1939: Sale of the synagogue, conversion and use as a private residence
The destroyed synagogue building temporarily took in refugees  from the Saarland; it was later acquired by a printing company.
In a letter dated March 15, 1989, the Rhineland Regional Council declared the building a monument.
In 1959/1960 the building was rebuilt again according to plans by the Benroth architect Friedhelm Osterhammel, who set up 3 separate apartments on 3 floors.
After a unanimous decision by the municipal council, the municipality of Ruppichteroth bought the building in 2019, it is currently still used for residential purposes, a commission headed by Mayor Loskill is dealing with thoughts and plans for a different future use.