Viele Ruppichterother kennen Prof. Harth als denjenigen, der bis vor Jahren in Arbeitskleidung das Gelände des ehemaligen Schullandheims an der Burgstraße bzw. Pfarrgasse in Schuss hält, repariert und offenbar fast alles selbst gemacht hat, wozu andere die verschiedenen Handwerker rufen müssen.
Manche wissen, dass Prof. Harth am großen Radioteleskop in Effelsberg als Wissenschaftler tätig war.
bilderbuch-ruppichteroth.de hat versucht, in verschiedenen Interviews im Juli 2021 mehr über ihn und seinen Werdegang zu erfahren. Hier ist der Bericht:
Wolfgang Harth wurde 1939 im kleinen Eifelort Olef geboren. Er besuchte die dortige kath. Volksschule, die er - wie damals üblich - nach der 8. Klasse abschloss. Trotz guter Schulleistungen war an einen Besuch des Gymnasiums wegen des zu zahlenden Schulgelds nicht zu denken.
Nach der Schule bewarb er sich erfolgreich um eine Lehrstelle bei der Firma Siemens & Halske in Köln, wo er das erste Jahr am Schraubstock zu verbringen hatte.
Eine der ersten Aufgaben war das - allen Lehrlingen in technischen Berufen bekannte und oft gefürchtete - Feilen eines Stahlwürfels von 60 mm auf 45 mm Kantenlänge mit einer Schrupp- und Schlichtfeile. Herr Harth weiß noch heute genau, dass er hierfür insgesamt 96 Stunden benötigte.
Während der Lehrzeit wohnte Wolfgang Harth in Hürth-Gleuel bei Köln.
Er hatte als Lehrling einen langen Arbeitstag:
5:00: Aufstehen
6:00: Fahrt mit dem Bus von Gleuel nach Köln-Riehl
7:30 – 17:00: Arbeit in der Lehrwerkstatt
Um 19:00 war er dann wieder zu Hause. Und das von Montag bis Samstag.
Einer seiner Fachlehrer an der Berufsschule erkannte sehr früh die Talente von Wolfgang Harth und überzeugte ihn, zusätzlich zur Lehre noch die Berufsaufbauschule zu besuchen, um dort die Mittlere Reife zu erlangen. Das bedeutete: 3 x pro Woche von 18 – 21 Uhr Besuch der Abendschule in Köln Deutz. An diesen Tagen war er dann um 22:30 wieder zurück in Hürth-Gleuel.
Den freien Dienstagabend nutzte Wolfgang Harth dann zum Judosport bei der Polizei in Köln.
Die Woche war also vom ersten bis zum letzten Tag ausgefüllt.
Am Ende der 50er Jahre war der Begriff Diskothek noch unbekannt. Dafür wurde in den Wirtshaussälen rund um die Kölner Vororte am Wochenende das Tanzbein zu Live-Musik geschwungen: Akkordeon, Gitarre, Schlagzeug – ohne Verstärker, vor in der Regel mehr als 200 Personen, heute unvorstellbar. Am Akkordeon: Wolfgang Harth. Seine Gage betrug 3 D-Mark/Stunde (umgerechnet auf heute: 1,5 €/Std. Zum Vergleich: als Fernmeldemonteur verdiente Wolfgang Harth damals 0,7 D-Mark pro Stunde).
Im Herbst 1957 legte Wolfgang Harth die Facharbeiterprüfung als Fernmeldemonteur mit Bestnoten ab. Bis 1960 arbeitete er als Monteur.
Wolfgang Harth als Jungmonteur bei der Einrichtung der ersten Durchwahltechnik für Telefonie in Deutschland vom Anrufer bis zur Nebenstelle beim damaligen NWDR Köln (heute WDR)
Mit einem Stipendium der Fa. Siemens & Halske studierte er von April 1960 – 1963 Elektrotechnik/Nachrichtentechnik an der Ingenieurschule in Köln. Nach Abschluß des Ingenieurstudiums begann er ein Studium der Physik an der Universität Bonn und wurde als Stipendiat in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen.
Nach dem Studium der Physik begann Wolfgang Harth seine wissenschaftliche Laufbahn am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Den Beginn seiner dortigen Tätigkeit beschreibt Wolfgang Harth wie folgt:
„Professor Hachenberg übertrug mir die Leitung einer Solar-Terrestrischen Gruppe, in der ich ein 10-Meter-Radioteleskop zur Sonnenbeobachtung zu betreuen hatte, aber auch ein Gerät vorfand, mit dem Gewitter angepeilt und mit einer neuartigen Methode aus den empfangenen Impulsformen auf die Entfernung geschlossen werden konnte. Nur, hier fehlte noch die passende Theorie, wie sich die elektromagnetischen Wellen der Blitze zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre über ihrem Laufweg vom Blitz zum Empfangsgeräte veränderten. Leicht gesagt, aber sehr knifflig zu rechnen. Diese Theorie wurde dann meine Doktorarbeit und ist bis heute auch noch immer stimmig. So bin ich dann – wer hätte es gedacht – auf diesem Nebengleis auch zu den Gewittern gekommen.“
1970 promovierte Wolfgang Harth in Astronomie und Mathematik.
Professor Harth berichtet über seine Erfahrungen und Erlebnisse in Argentinien:
„Eines Tages erschienen dann auf dem Stockert - das war der technische, apparative Stützpunkt des Radioastronomischen Instituts nahe Bad Münstereifel - zwei Jesuitenpadres der Salvador Universität Buenos Aires. Sie waren von unserem Gewittergerät begeistert und binnen Jahresfrist habe ich dann just ein solches Gerät am Naturwissenschaftlichen Institut dieser Universität installiert. Dies war der Beginn eines neuen Forschungszweiges in Argentinien an eben diesem Institut.
Nun, was ist dabei herausgekommen? Allgemein kann man sagen, daß die Beschäftigung mit dem Gewittergeschehen einmal der Meteorologie zuzuschreiben ist - wie entwickeln sich Gewitterwolken, in welchen Wetterlagen, zu welchen Tages und Jahreszeiten, wie ist ihre Aktivität über unseren Globus verteilt, um dieses nur zu nennen und zum anderen ist die Geoelektrizität , das ist der Bereich, der sich dem elektrischen Geschehen in der Atmosphäre annimmt, von einem weiteren Interesse. Und dieses war ausgehend auch der Grund, warum man sich in einem Max Planck Institut für Radioastronomie gerade mit Gewittern als Sender starker elektromagnetischer Wellen beschäftigte.
Dort in Argentinien allerdings, waren die Wissenschaftler mehr an den Wetteraspekten interessiert, wie ist es um den Jahres- und Tagesgang der weltweit stärksten Gewitterzonen z. B. über der Amazonasregion bestellt und dies in einer quantitativen Aussage. Und was wir so an Neuem beitragen konnten, war u.a. die Erkenntnis, dass das Auftreten eben dieser Gewitterherde mit den Perioden der Planetaren Wellen einhergeht. Diese Planetaren Wellen sind Druckwellen in unserer Atmosphäre."
Die Forschungsarbeit in Argentinien wurde vom deutsch-argentinischen Kulturabkommen getragen. Immer wieder flog Wolfgang Harth nach Argentinien zur Fortbildung der dort arbeitenden Kollegen. Die Aufenthalte dauerten manchmal ein halbes Jahr, manchmal 3 Monate, manchmal aber auch nur wenige Tage.
„Im Verlaufe der 70er-Jahre konnten weitere Registrierstationen in der Provinz La Rioja, der Weinbauregion Mendoza und in Patagonien, der Provinz Chubut, installiert werden. Für einen mehrmonatigen Aufenthalt - meine beiden Töchter, Eva und Anne, waren noch nicht schulpflichtig - konnte mich so meine Familie begleiten. Ein bis heute nachhaltiger Aufenthalt in einem sehr schönen Land, auch dank meines geduldigen Mentors, Professor Hachenberg, der mich gewähren ließ.
Allerdings hatte ich mir den Vorteil verschafft, dass mir die nötigen Mittel für mein ausgreifendes wissenschaftliches Hobby in Argentinien vom Kernforschungszentrum Karlsruhe sehr großzügig bereitgestellt wurden. Aber dies ist eine andere Geschichte.
Mit dem Auslauf der 70er-Jahre erinnerte ich mich wieder an meinen väterlichen Ratgeber, Professor Hachenberg. Er riet mir einmal, alle 10 Jahre als Wissenschaftler etwas Neues zu beginnen. 1979 übernahm ich dann die Leitung der Systemgruppe am großen Radioteleskop in Effelsberg.“
„Das im Mai 1971 eingeweihte Radioteleskop Effelsberg (https://de.wikipedia.org/wiki/Radioteleskop_Effelsberg) gehört zu den beiden größten vollbeweglichen Radioteleskopen der Erde. Effelsberg ist eine wichtige Station für das weltweite Zusammenschalten von Radioteleskopen. Mit dieser Technik gelingen die schärfsten Aufnahmen vom Kosmos überhaupt." (google.com)
Prof. Harth nahm z. B. vom 11. – 16.9.1972 an einer Tagung in Washington D.C., USA, teil und hielt dort 3 Vorträge.
1983 erhielt Dr. Wolfgang Harth einen Ruf als Professor der Physik an die Technische Hochschule Köln, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2003 lehrte.
„Als Apercue, oder besser als Appendix sollte ich noch anmerken, dass zur Gemeinschaft der Jesuitenpadres, mit denen ich es in Buenos Aires zu tun hatte, ein gewisser Pater Bergoglio gehörte, der spätere Bischof von Buenos Aires , der heute unser Papst ist. Man lief sich dort hin und wieder über den Weg. Ja, was gibt es da noch zu sagen! Auch Wissenschaft kann eine wunderbare, erfüllende Lebensstrecke sein!“
Im Jahre 1990 erwarb die Familie das frühere Krankenhaus bzw. Schullandheim der Stadt Köln sowie die früheren Gebäude und Räumlichkleiten der Fam. Halang.
In einem Teil der Anlage betrieb Frau Marie-Luise Harth einen Fliesen- und Sanitärfachhandel.
Quellen:
Fotos/Abbildungen: privat (Prof. Harth), Wolfgang Eilmes
Die Aussagen zum Aufenthalt in Argentinien sind mit freundlicher Genehmigung von Frau Drahomira Hampl dem Magazin IMAG (imag-magazin.de) entnommen.