Bilderbuch Ruppichteroth

Erlebnisse zum Kriegsende

Unter dieser Überschrift sollen weitere Erinnerungen von Zeitzeugen oder Zweitzeugen („mein Vater/meine Mutter, mein Opa/meine Oma haben mir erzählt...") dokumentiert werden. Die Geschichten können kurz oder länger sein, ganz wie Sie wünschen.
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Waltraut Karkalis (Jg. 1932), geb. Piel erzählt: Die Amerikaner beschlagnahmen das Haus Altwicker

„1945 unterrichtete in der einzig noch verbliebenen Schule in Ruppichteroth (Hans-Schemm-Schule, später Katholische Volksschule) ein Lehrer Esser aus Honnef. Herr Esser wohnte im Haus Altwicker (Wilhelmstraße). Herr Esser war wie man im Volksmund sagte „ein strammer Nazi“. Als die Amerikaner nach Ruppichteroth  kamen, floh er nach Honnef.

Die amerikanischen Soldaten kamen nun am 9.4.1945 ins Haus Altwicker, um hier Quartier zu nehmen. Anwesend  waren:  meine Mutter Edith, ich und Luise Möller (Schwester von Reinhold Altwicker). Die Amerikaner überprüften  jeden Raum des Hauses. Der Raum von Herrn Esser war jedoch verschlossen. Natürlich hätten die Amerikaner die Tür aufbrechen können, sie sagten uns jedoch: „Wir kommen heute Nachmittag um 3 Uhr wieder. Dann ist die Tür offen.“  Wir 3 Frauen haben dann die Tür mit einem Draht (ähnlich einem Dietrich) geöffnet und nachgeschaut, was Herr  Esser zurückgelassen hatte. Wir öffneten eine Schublade und fanden:  4 Nazi-Parteiabzeichen und eine Pistole.   Wir hatten unglaubliche Angst. Wir trauten uns kaum, uns vorzustellen, wie die Amerikaner wahrscheinlich reagiert hätten, wenn sie diese Dinge gesehen hätten. Ich weiß nicht mehr genau, was wir mit diesen Dingen dann gemacht haben. Ich glaube, wir haben sie im Abfallbehälter versteckt.
Nachmittags kamen die Amerikaner und beschlagnahmten das komplette Haus. Meine Mutter und ich mussten das Haus ebenso verlassen wie die Familie Altwicker.  Meine Mutter und ich zogen zu unseren Verwandten (Familie Walter Schumacher). Fam. Altwicker wurde in einem Raum der früheren ev. Volksschule untergebracht (heute der Raum des Gemeinde-Cafes). Sowohl Familie Altwicker als auch meine Mutter  und ich mussten insgesamt 3 mal aus unserer Wohnung im Haus Altwicker ausziehen und für Soldaten Platz machen: 2 x für amerikanische Soldaten, 1 x für belgische Soldaten.“

Die Erschießung von 2 Deserteuren in Ruppichteroth im März 1945

„Weil das Haus Altwicker so groß war, diente es in den letzten Kriegswochen (vor Eintreffen der Amerikaner) auch als Quartier für deutsche Soldaten, vor allem Führungspersonen. Ich erinnere mich, dass ein hoher Offizier im Hause wohnte und wenige Tage vor Eintreffen der Amerikaner in seinem Zimmer noch 2 deutsche Soldaten wegen Fahnenflucht (als Deserteure) zum Tode verurteilte.
Die deutschen Soldaten wurden daraufhin im Bereich des früheren Edeka-Marktes (Jung) an der Hambuchener Straße erschossen.“


Anmerkung von bilderbuch-ruppichteroth.de:

Ältere Ruppichterother haben immer wieder diese Geschichte von der Erschießung von 2 deutschen Soldaten erzählt, ohne aber konkretere Angaben machen zu können.
Es gibt inzwischen Belege (mit Namens- und Datenangaben), dass 2 deutsche Soldaten, die nicht aus Ruppichteroth stammten, in der letzten März-Woche 1945 in Ruppichteroth gestorben sind. Mindestens einer dieser Soldaten ist auf dem evangelischen Friedhof beerdigt worden (Quelle: Archiv der ev. Kirchengemeinde).

Ob dies die 2 ermordeten Soldaten sind, ist noch nicht klar.
Zweitzeugen erzählen, dass die verstorbenen Soldaten später in ihre Heimat „im Raum Eitorf" umgebettet wurden.
Die vorhandenen Quellen lassen vermuten, dass sich die beiden Soldaten von den heftigen Kampfhandlungen im Raum Uckerath abgesetzt haben und sich in Ruppichteroth sicher wähnten.

bilderbuch-ruppichteroth.de wird weiter zu dieser Frage recherchieren und neue Erkenntnisse gegebenenfalls hier mitteilen.

Hintergrund-Informationen: Erschießungen zu Kriegsende

In den letzten Monaten des Krieges (März/April 1945) waren viele deutsche Soldaten so verzweifelt, hoffnungslos und erschöpft, dass sie versuchten, ihr Leben dadurch zu retten, dass sie von der Truppe flüchteten und sich versteckten.
Um denen, die sich auch nur mit dem Gedanken an Flucht befassten, diese Gedanken wieder auszutreiben, wurden Deserteure, die nach der Flucht gefunden wurden, oft in einem kurzen Prozeß (meist vor und von einem Nazi-Offizier in einem besetzen Haus durchgeführt) zum Tode verurteilt.

Ein an den Erschießungen im Kreis Altenkirchen beteiligter Soldat schrieb dazu 1998:„In den Märztagen ´45 habe ich an drei Erschießungen im Raum Flammerskirchen-Altenkirchen teilnehmen müssen. Diese Morde an der eigenen Truppe sind niemandem von uns leicht gefallen. Doch hatten wir unsere Befehle, sonst wären wir wohl wegen Befehlsverweigerung selbst erschossen worden ..."

Über die „Verhandlung" (am 25.3.1945) liest man dort: 
„Die Anklage lautete wieder Feigheit vor dem Feind, wie so oft. Noch während dieser Tagung (Anm.: Verhandlung) war die eine Hälfte unter Führung eines Feldwebels dabei, die vier Soldaten zu erschießen... Zu dieser Zeit brüllte einer der Offiziere einen der Angeklagten an. „Sie wollen Soldat sein! Verdammt, lügen Sie mich  nicht an Mann! Schaffen Sie den Mann aus meinen Augen!. Erschießen, verdammt erschießen, jetzt wird jeder erschossen!"

Zitiert nach:Ralf Anton und Rebecca Schäfer, Das Kriegsende in der Heimat, 2011, S. 476.