Bilderbuch Ruppichteroth

Kriegsende in Ruppichteroth 1945 - Augenzeugenberichte von Oberstleutnant Martin Steglich

Der zu Kriegsende am Niederrhein schwerverwundete Oberstleutnant Martin Steglich, Gründer und späterer Inhaber des Möbelhauses MARO, seit dem 23.1.1943 mit Roselinde, geb. Willach, verheiratet, war kurz vor Schließung des Ruhrkessels nach Ruppichteroth ins Lazarett im späteren Kölner Schullandheim verlegt worden.
In seinem Buch „Sandkorn im Feuersturm“, 1990 (im Eigenverlag) beschreibt Martin Steglich die letzten Kriegstage in Ruppichteroth:
 „In meinem Heimatort war die chirurgische Abteilung des Feldlazaretts der 7. Flak Division aus Köln in einem Landschulheim ausgelagert. Dort wurde ich notdürftig versorgt.
 Am 8. April 1945 kamen die Amerikaner in den Ort und erklärten das Landschulheim zum Kriegsgefangenenlazarett. Nach etwa drei Wochen wurde ich mit anderen Verwundeten, die noch längst nicht genesen waren, verlegt. Zuerst auf einen Truppenverbandsplatz auf dem ehemaligen damaligen Truppenübungsplatz Wahn (heute Flughafen Köln/Bonn).
Ich muss betonen: ich hatte das Lazarett in meinem Heimatort verlassen im Dienstanzug, d.h. alle Auszeichnungen tragend. Darüber meinen Mantel gezogen. … Nach Einbruch der Dämmerung erschien plötzlich ein junger Captain, der sich fließend deutschsprechend vorstellte: „Ich bin der Kompaniechef der Wachkompanie, Herr Oberstleutnant. Sie tragen Ihre Tapferkeitsauszeichnungen. Ich möchte verhindern, dass man sie Ihnen stiehlt, denn auch gerade unsere Armee ist gierig auf solche Souvenirs, sie scheuen sich nicht, sie Ihnen abzureißen, selbst ein General scheut nicht mal zurück! Aus dem Überweisungspapier habe ich entnommen, dass Sie hier in der Nähe beheimatet sind, haben Sie Verwandte in Siegburg?“
Der Captain übernahm die Auszeichnung von Oberstleutnant Steglich und ließ sie zu einem in der Nähe lebenden Schwager von Martin Steglich bringen.
„So wurden meine Original-Auszeichnungen vom EK 2 bis zum Ritterkreuz gerettet!“
Martin Steglich wohnte damals mit seiner Ehefrau Roselinde in der heute noch erhaltenen Villa Daheim an der Brölstraße. Die große Villa lag nur ca. 200m entfernt vom Hotel zur Krone, das von den Amerikanern und später den Belgiern sofort beschlagnahmt und mit Truppen belegt wurden.

Villa Daheim

Hier erklärt Martin Steglich, warum die Villa Daheim nicht beschlagnahmt wurde:
„Dass die Amis nicht die Villa Daheim beschlagnahmt haben, hatte zwei Gründe:
1.    Es war keine Autoanfahrt direkt bis ans Haus und zum Laufen von der Straße waren die Amis zu faul. 
2.    Als die Amis kamen und das Haus in Quartier nehmen wollten, haben meine Frau Roselinde und Schwägerin Grete wie folgt gewirkt: Sie haben sich Mullbinden vor den Mund gehängt, weiße Kittel angezogen und auf ein Schild gemalt: „Infektion“.
Die Amis sind gar nicht in die Villa gegangen, davor haben sie zurückgeschreckt.
Doch die Kampftruppe zog bald ab und als Besatzungstruppe kamen Belgier. Es war ein Bataillon der belgischen Legion in der englischen Armee. Die Belgier errichteten einen Fahnenmast unten am Bröltalbahnhof und jeder Deutsche, der vorbei kam, musste davor stehen bleiben und den Hut ziehen. Wer es nicht tat, wurde geschlagen. Da nun kein Ruppichterother mehr dort unten lang ging, sperrten sie die andere Straße oben durchs Dorf, um die Leute zu zwingen über die Brölstraße zu gehen. Es wurden auch einige Leute in der Zeit ermordet, wenn die Soldateska auszog, um zu plündern während der Sperrstunde. Später hat dann die belgische Militärpolizei die Todesanzeigen auf dem Standesamt in Ruppichteroth gefälscht und als Todesursache eingetragen, zum Beispiel „Lungenversagen“ oder „Herzversagen“. … Als das Requisitionskommando in die Villa eindrang, wurden die alten Herrschaften aus dem Haus gejagt. Mutter Willach hatte im Handtäschchen ihren Familienschmuck, den rissen sie ihr aus der Hand …. Sie durch stöberten die Wohnung, fanden meine Offizierskiste, rissen sie auf und warfen alles auf die Erde: Tagebücher, Fotoalben und meine Kriegsaufzeichnungen. Die Fotoalben durchstöberten sie, um festzustellen, ob darunter Judenerschießungen waren. Dann griff, es war sinnigerweise ein Kaplan, der Bataillonspfarrer sich die Orden und wollte sie mitnehmen. Da ist Roselinde mit der kleinen Karin auf dem Arm dazwischen gegangen, hat ihm die Orden aus der Hand gerissen und gesagt: „Sie können mich totschießen, aber die Orden lassen Sie hier, die gehören meinem Mann!“ Der Kaplan war so beeindruckt, dass er abließ und so hat mir Roselinde alles gerettet."

Quelle: Sandkorn im Feuersturm, Martin Steglich 1990 (im Eigenverlag)
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Karin und Bärbel Steglich