Bilderbuch Ruppichteroth

Auch Ruppichteroth wurde 1945 durch die Amerikaner befreit

Bericht auf der Basis der Archivdaten von Karl Schröder

7.4.1945: Die Amerikaner überqueren die Sieg zwischen Eitorf und Alzenbach

„Am 7. April 1945 begannen die Amerikaner, die Sieglinie, diese südliche Flanke des Ruhrkessels, einzudrücken. Wie das vor sich ging, schilderte ein Augenzeuge aus Alzenbach eher belustigt als beeindruckt: die Amerikaner, die bis jetzt (12:00 Uhr) hinter dem Bahndamm (zwischen Eitorf und Alzenbach) gelegen haben, kommen in Schützenkette robbend durch das Gelände, die Nase über den Boden schleifend, wie im Manöver …. Dann geht‘s mit einem Sprung über die Straße und im Laufschritt weiter bis an die Sieg. Dort stürzt sich jeder… todesmutig in die Fluten und schwimmt hinüber. Einigen gelingt es nicht ganz; die waten dann das letzte Stück. Kein Schuss fällt von der anderen Seite.
Um 17:45 Uhr wurde bei Alzenbach eine Pontonbrücke über die Sieg geschlagen, da alle Sieg-Brücken gesprengt worden waren. Von 18:30 Uhr bis zum Morgen des 8. April um 3:00 Uhr rollte und unterbrochen Fahrzeug um Fahrzeug über diese Brücke.

In der Nutscheid

Bis zum Abend des 7. April besetzten die Texaner das westliche Randgebiet der Gemeinde Ruppichteroth. Die deutschen Truppen hatten sich aus dem Eitorfer Raum in die Nutscheidwälder zurückgezogen. Im Schutze der Dämmerung strömten sie nach hinten, schweigend, müde, hungrig, demoralisiert und mit Waffen und Schanzzeug bepackt. Auch letzte Durchhalteparolen, die nachts vorher an die Scheunentore geklebt worden waren, konnten sie nicht zurückhalten.

8.4.1945: Angriff auf das Bröltal

In der Nacht vom 7. auf den 8. April 1945 schliefen die Menschen unserer Gemeinde unruhig in den Kellern, in banger Erwartung der kommenden Ereignisse. Der Morgen des 8. April, des Weißen Sonntags, war ein Frühlingsmorgen in Ruppichteroth 1945, wie man sich ihn für diesen kirchlichen Festtag nur wünschen konnte. Der Himmel war strahlend blau und es herrschte eine Ruhe, wie man sie lange nicht erlebt hatte. Aber die Ruppichterother wussten, dass es die Ruhe vor dem Sturm war.
Gegen 9:00 Uhr begannen die Texaner den Angriff auf das Bröltal. Die Dörfer südlich der Bröl wurden fast alle kampflos genommen. Nur aus Richtung Ennenbach hörte man Maschinengewehrfeuer. Auch in Kämerscheid konnten die Amerikaner, ohne Widerstand anzutreffen, eindringen. Plötzlich waren die khakifarbenen Gestalten in Kompaniestärke da, trieben die Bewohner im Ortskern zusammen und beschlagnahmten drei Häuser. Die deutsche Artillerie schoss ins Dorf und Zivilisten und amerikanische Soldaten gingen in Deckung.
An der Peripherie von Ruppichteroth versteifte sich ab 10:30 Uhr der Widerstand. Die amerikanische Regimentsgeschichte berichtet von deutschen Panzern bei Heide, etwa 1 km von Ruppichteroth entfernt. Die Texaner, die ihr Leben nicht mehr aufs Spiel setzen wollten, forderten Unterstützung aus der Luft an.

Vorstoß der Amerikaner nach Ruppichteroth

Bild: Archiv Karl Schröder. Bearbeitung: Wolfgang Eilmes.

Der Ruppichterother Volkssturm gibt auf

Oberstleutnant Martin Steglich (Anm.: der Gründer und spätere Inhaber des Möbelhauses MARO, seit dem 26.1.1943 mit Roselinde, geb. Willach, verheiratet), der (vor wenigen Tagen) kurz vor Schließung des Ruhrkessels nach Ruppichteroth ins Lazarett (Anm.: das spätere Kölner Schullandheim war von den Amerikaner kurzfristig dazu erklärt worden) transportiert worden war, setzte sich unverzüglich mit dem Spieß des Ruppichterother Volkssturms* Josef Schorn in Verbindung und riet ihm und seinen Männern, die Volkssturmbinden abzulegen, sie unter Mutters Kopfkissen zu verstecken und sich zu verkrümeln. So geschah es denn auch. In Schönenberg und Winterscheid hatte der Volkssturm sich beim Herannahen der Amerikaner ebenfalls aufgelöst. Nur einzelne ältere Männer aus den umliegenden Dörfern waren von fanatischen Parteileuten ins Oberbergische geführt worden, von wo die meisten aber von einsichtigen Offizieren wieder nach Hause geschickt wurden, wie der damals 60-jährige Johann Löbach aus Kämerscheid, der bis Denklingen marschiert war, wo ihm ein Truppführer sagte: „Opa, weißt du den Weg nach Hause? Dann mach, dass du wegkommst!“
(*Anm.: Der Deutsche Volkssturm war eine deutsche militärische Formation in der Endphase des Zweiten Weltkrieges. Er wurde nach einem von der NSDAP ausgehenden propagandistischen Aufruf an alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren außerhalb der vorherigen Wehrpflicht gebildet, um den „Heimatboden“ des Deutschen Reiches zu verteidigen, „bis ein die Zukunft Deutschlands und seiner Verbündeten und damit Europas sichernder Frieden gewährleistet“ war (Wortlaut des Originaldokuments (Reichsgesetzblatt 1944, Teil I, S. 253), abgedruckt in Gerd R. Ueberschär, Rolf-Dieter Müller: 1945. Das Ende des Krieges. Darmstadt 2005, ISBN 3-89678-266-5, S. 160 f., Quelle wikipedia) 
 

8.4.1945, 15 Uhr: Amerikaner erreichen Ruppichteroth

Gegen 15:00 Uhr erreichten die Amerikaner Ruppichteroth. Eine deutsche Flakbatterie, die am Gießelbacher Kreuz bei Hambuchen in Stellung lag, schoss ihre Granaten zwischen die anrückenden Texaner, die bei jedem Feuerüberfall wieder die Flucht ergriffen. Am Werk II (Anm.: ehem. HUWIL W. II) wehrte sich immer noch verbissen deutsche Infanterie. Dieser Widerstand von einigen Soldaten, so beklagte sich Pfarrer Werner später in der Chronik, sei schuld, dass das Pfarrhaus ungefähr 16 Durchschüsse von Maschinengewehrkugeln erhalten habe.
Nach der Einnahme des Werksgeländes sprengten die Amerikaner die Lastwagen mit der für den Volkssturm bestimmten Munition, und da man der Werksfeuerwehr nur für kurze Zeit erlaubte zu löschen, brannte das Werk, das schon erheblich durch Artilleriebeschuss beschädigt worden war, zum Teil ab.
Langsam arbeiteten sich die Texaner zum Ortskern vor. Gegen 18:00 Uhr war der Ort Ruppichteroth endgültig besetzt. Die Amerikaner beschlagnahmten sofort eine Reihe von Häusern und quartierten sich dort ein. Bald sah man Texaner mit Zylinderhüten auf dem Kopf oder mit Jacken von Partei- oder SA-Uniformen ihren Scherz treiben.

Die Amerikaner in Schönenberg und Winterscheid

Schönenberg und Winterscheid wurden schon mittags genommen. In Winterscheid versammelten sich wie in den alten Zeiten der Kriegsdrangsal die Menschen in der Kirche. Gegen Abend setzten Soldaten der Waffen-SS zum Gegenangriff auf Schönenberg an. Zwischen Kirche und Vinzenzhaus kam es zu einem heftigen Gefecht. Hinter dem Kloster hatten sich die Deutschen festgesetzt und wurden durch ein Geschütz von Scheid aus unterstützt. Dieser sinnlose Angriff kostete noch elf deutsche Soldaten das Leben. Sie wurden auf dem Schönenberger Friedhof beerdigt und vor wenigen Jahren nach dem Heldenfriedhof in Uckerath umgebettet.
Am 8. April 1945 besetzten die Amerikaner die Gemeinde Ruppichteroth bis zur Bröl und drangen zwischen Schönberg und Öleroth auch in den nördlichen Teil dieses Gebietes vor. Der Vormarsch des 386. amerikanischen Infanterieregiments war durch das 365. Feldartilleriebataillon unterstützt worden, das mit seinen Haubitzen laut Regimentsgeschichte ausgezeichnete Arbeit geleistet hatte. Da auch die deutsche Artillerie in die Dörfer schoss, wurden - soweit sich das feststellen lässt - am 8. April 6 Zivilisten getötet bzw. tödlich verwundet. Eine dieser Personen war Minna Nesshöver aus Schönenberg. Sie wurde von den Amerikanern mitgenommen, die sie zur besseren Versorgung in ein Krankenhaus bringen wollten. Seit dieser Zeit ist sie verschollen.
Nicht nur in Schönenberg, sondern auch in Ruppichteroth, Ennenbach, Rose, Junkersaurenbach und Hambuchen fielen an diesem 8. April deutsche Soldaten.

9.4.1945, 14 Uhr: die Gemeinde Ruppichteroth ist fest in amerikanischer Hand

Am Morgen des 9. April fielen in Hodgeroth und Broscheid deutsche Soldaten und in Felderhof starben 2 deutsche Zivilisten. 
Gegen 14:00 Uhr war die Gemeinde Ruppichteroth fest in amerikanischer Hand.
In der Geschichte des amerikanischen 386. Infanterieregiments werden Ruppichteroth, Schönenberg und Felderhof als feindliche Stützpunkte und Schwerpunkte des Widerstandes bezeichnet. Besonders hervorgehoben werden die vielen Straßen- und Panzersperren, die Zwangsarbeiter und Volkssturmleute noch in den letzten Tagen erbaut hatten, die aber zum größten Teil nicht mehr fertiggestellt werden konnten und im Übrigen absolut wirkungslos waren.

Ruppichterother Soldaten wurden als Gefangene in Kolonnen abgeführt

Man sah nun, wie in langen Kolonnen deutsche Gefangene nach hinten, d.h. in Richtung Siegtal geführt wurden. Zum Teil mussten sie mit erhobenen, zum Teil mit im Nacken gefalteten Händen marschieren. Dies war ein Anblick, der viele Ruppichterother zu Tränen rührte.
Für die Gemeinde Ruppichteroth war der Krieg zu Ende. Die Menschen fühlten sich zwar erleichtert, dass sie der unmittelbaren Lebensgefahr entronnen waren, sahen aber sorgenvoll in eine ungewisse Zukunft. Die Angst um das Leben ihrer Väter, Brüder und Ehemänner, die noch Soldat oder schon in Gefangenschaft waren, sollte sie noch lange belasten. Die Nachforschungen nach ihrem Verbleib und ihrem Schicksal dauerten oft viele Jahre.
 

Was wurde aus den lokalen Nazi-Größen?

Als im April und Mai des Jahres 1945 die nationalsozialistischen Bonzen begannen, sich aus der Verantwortung zu stehlen, ihre „Goldfasan“-Uniformen verbrannten und in schlichtem Zivil oder auch in Feldgrau mit falschem Soldbuch in die Anonymität untertauchen wollten, kämpften viele Ruppichterother immer noch.
Gauleiter Erich Koch, der 1923 im oberbergischen für die NSDAP agitierte, verlangte von der Regierung Dönitz ein U-Boot, um nach Südamerika zu flüchten.
Aus Dr. Robert Ley, Führer der Deutschen Arbeitsfront, fanatischer Agitator für den Nationalsozialismus und damals Ehrenbürger von Ruppichteroth, war plötzlich ein Dr. Ernst Distelmeyer geworden, der sich in der Nähe von Berchtesgaden niedergelassen hatte.
Die kleinen Bonzen, die auch nie eine Kugelpfeifen gehört und es verstanden hatten, ihren Posten an der Heimatfront zu halten, tauchten ebenfalls unter und hofften, dass über ihre Vergangenheit schnell Gras wachsen würde.“
(Ende des Berichts von Karl Schröder)

Der Bericht basiert auf den Archivdaten von Karl Schröder, die sich im Besitz von bilderbuch-ruppichteroth.de befinden. Dieser Bericht wurde erstmals veröffentlicht in „Ruppichteroth im Spiegel der Zeit“, Bd. 2, 1978, Herausgeber Harry Hendriks.