Bilderbuch Ruppichteroth

Auf dieser Seite finden Sie die am 1.8.2019 an den verschiedenen Verlegestellen gehaltenen Grußworte und Reden. Sie finden hier auch die englischen Versionen für die Gäste aus den USA und Schweden sowie für andere Verwandte der früheren jüdischen Familien in Ruppichteroth, die sich auf bilderbuch-ruppichteroth.de über die Ereignisse in Ruppichteroth informieren.

Vielen Dank an die Autoren/Autorin, die ihre Reden zur Veröffentlichung hier zur Verfügung gestellt haben. Dies sind:

  • Bürgermeister Mario Loskill
  • Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber
  • Pfarrer Hans-Wilhelm Neuhaus (Evangelische Kirchengemeinde)
  • Regionaldirektor Markus Neuber (VR-Bank Rhein-Sieg eG)
  • Daniela Tobias 

Grußwort von Bürgermeister Mario Loskill

Grußwort von Bürgermeister Mario Loskill, gesprochen bei der Verlegung der ersten Stolpersteine in Ruppichteroth am Haus Isaak, Mucher Straße:

Sehr geehrte Nachfahren der früheren Familie Gärtner aus Ruppichteroth,
liebe Gäste aus den USA und aus Schweden,

es ist dem Rat der Gemeinde Ruppichteroth und mir persönlich eine Freude, Sie am heutigen Tage zu der historischen Erstverlegung von Stolpersteinen hier in Ruppichteroth auch im Namen der Bürgerinnen und Bürger herzlich willkommen zu heißen.

Wir gedenken Ihrer Familien, Ihren Vorfahren, die viel Leid durch unsere Vorfahren hinnehmen mussten.

Am heutigen Tage erinnern wir insbesondere an die Familien Isaak, Nathan, Gärtner und Hess.
Es ist schön zu wissen, dass wir gemeinsam bereit sind, an die Schicksale der früheren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erinnern und dadurch mitzuhelfen, diese schlimmen Ereignisse unserer deutschen Geschichte in unser tägliches Leben zurückzurufen, um zu verhindern, dass so etwas nie wieder passiert.
Dabei sehe ich es als ständige Pflicht an, dass unsere Generation und die nachwachsenden Generationen daran mitarbeiten,  diese Ereignisse nicht zu vergessen, um immer daran zu erinnern:
So etwas darf nie mehr geschehen, nicht in Deutschland und in keinem anderen Ort unserer Welt.

Words of Welcome by Ruppichteroth Mayor Mario Loskill

Words of welcome - spoken by mayor Mario Loskill at the laying of the first stumbling stones in Ruppichteroth in front of the former Isaak house, Mucher Strasse

Dear descendants of the former Gärtner family from Ruppichteroth,
Dear guests from Sweden and the USA,

for the council of the community of Ruppichteroth and for me as mayor it is a great honor to welcome you today at this  historic first laying of stumbling stones here in Ruppichteroth in the name of the  citizens from Ruppichteroth. 

We commemorate  your families and your ancestors who had to suffer much pain from some of our ancestors.

Today we remember especially the Isaak, Nathan, Gärtner and Hess families.
It is good to know that we are ready to remember the fates of our former citizens together and by this will be able to help call back these bad events from our German history into our daily lives in order to make sure that  something like this will never happen again.
This is why I consider it our daily duty to make sure that our generation and the younger generations will not forget these events and will always remind us: 
What happened must never happen again, not in Germany nor in any other place of the world.

Schlußwort von Bürgermeister Mario Loskill

Schlußwort von Bürgermeister Mario Loskill - gesprochen vor dem früheren Haus Gärtner, Wilhelmstraße 17

Mit den nun 13 an fünf Standorten verlegten kleinen Gedenktafeln wird an das Schicksal der Menschen, also auch Mitgliedern Ihrer Familien gedacht, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.

Es gibt nun für Sie persönlich eine Anlaufstelle der persönlichen Erinnerung an diese schlimme Zeit, ein Verhindern des Vergessens, aber auch ein Ort, an dem
Sie und wir Ihrer Vorfahren mit Würde und in Ehre gedenken können. Und dies mit dem wichtigen Fingerzeig. Bitte denkt alle daran: Nie wieder!

Vielen Dank für Ihre Anreise aus den fernen Vereinigten Staaten von Amerika und aus Schweden. Es spricht für Sie, dass dem historischen Ereignis auch von Ihnen eine besondere Wertschätzung entgegengebracht wird – dass es für Sie und Ihrer Familie persönlich sehr wichtig ist, hier und heute dabei zu sein.
Wir konnten in Ruppichteroth dem Erinnern an die schlimmen Ereignissen im Zweiten Weltkrieg heute nur ein kleine Unterstützung darstellen, um zu zeigen:
Wir haben verstanden, wir wollen kämpfen für Frieden für alle Zeit und nie wieder die Verfolgung von Minderheiten und jüdischen Bürgerinnen und Bürgern erleben.
Es ist leider immer noch aktuell in unserer Gesellschaft, dass Menschen meinen, anders Denkende und Gläubige zu verfolgen. Heute wurde gezeigt: 
Wir alle, die hier sind und viele mehr, sind dagegen und das ist gut so!

Kommen Sie gut in Ihre neue Heimat zurück – unsere Vorfahren haben Ihnen die alte leider genommen. Schön, dass Sie zurückgekehrt sind, um Ihrer Vorfahren ebenfalls zu gedenken.
Bleiben Sie gesund und behalten Sie uns in guter Erinnerung – wir werden uns auf jeden Fall gut an diesen Tag und an Sie erinnern.“

Final words by Mayor Mario Loskill

Final words by mayor Mario Loskill - spoken in front of the former Gärtner house at Wilhelmstrasse 17

With the now laid 13 little stones in front of  5 former Jewish houses we commemorate the fate of    members of your family  and others who were persecuted, deported, murdered, expelled or who considered suicide as the only way out in the time of national socialism.

Now there is a personal place for your personal memory.
It is also a place where you and we can remember your ancestors in dignity  and honor. And by doing so you point out: Everybody please remember. Never again.

Thank you very much for coming here from far away USA and from Sweden. 
We feel honored that you give special honor to this historic event by your presence, by showing us that it is very important for you and your family  to be present here  and today.
We here in Ruppichteroth could today only support the memory of the bad events in the Second World War  in order to show:
We have understood. 
We are ready to fight for peace at all times and we want to make sure that there will never again be any persecution of Jewish citizens or any other minorities.
News tell us daily that in our societies people who are different and who think differently, who believe differently  are still being persecuted. Today we have shown:
We all who are here and many more are against this. And this is good.
Dear members of the Gartner family, we wish you a safe trip back home. Some of our ancestors took the home of your ancestors away.  
We are glad that you have returned to commemorate your ancestors together with us. 
We wish you all the best, good health and we hope that you will keep us in memory. 
We will definitely and gladly remember this day and your presence.
 

Grußwort von Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber

Grußwort von Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber - gehalten am ehemaligen Haus der Familie Gärtner, Wilhelmstraße 17

Liebe Jugendliche, sehr geehrte Damen und Herren,

ich wurde gebeten, als Ehrenbürgermeister der Gemeinde Ruppichteroth hier ein Grußwort zu sprechen. Dies ist für mich eine besondere Ehre.

Es hat lange gedauert, sicher für viele zu lange, bis wir in Deutschland, auch wir hier in Ruppichteroth, die Kraft gefunden hatten, uns auseinanderzusetzen mit unserer Geschichte während der Nazizeit.

Wir können es vor allem dem Ruppichterother Heimatforscher Karl Schröder und Pfarrer Harry Hendriks verdanken, dass durch ihre Initiativen, Forschungen und Veröffentlichungen unsere Geschichte aufgearbeitet wurde. Dazu zählt im Besonderen die Geschichte der jüdischen Mitbürger in der Gemeinde Ruppichteroth. Das Ende dieser Geschichte ist eines der dunkelsten und traurigsten Kapitel in unserem Land und auch in der Gemeinde Ruppichteroth.
Heute leben keine Juden mehr im Bröltal, weil alle jüdischen Mitbürger, die nicht vor den Nazis fliehen konnten, ermordet wurden. Damit diese nicht vergessen werden und uns erinnern und mahnen, dass so etwas nie wieder geschieht, setzen wir die Stolpersteine, die von Bürgern gespendet und von Herrn Demnig verlegt werden.
Ich freue mich, jüdische Gäste aus USA und Schweden begrüßen zu können, deren Vorfahren rechtzeitig fliehen konnten. Es sind Nachkommen der Familien Gärtner aus der Wilhelmstraße. Übrigens alle Angehörigen der Familie Gärtner, die nicht fliehen konnten, wurden von den Nazis ermordet.

Ruppichteroth hat nicht nur die Geschichte der Juden in unserem Ort aufgearbeitet , sondern sogar noch steinerne Zeugen aufzuweisen, die an jüdisches Leben im Bröltal erinnern: Dazu zählen neben den noch vorhandenen Wohnhäusern, die ehemalige Synagoge an der Wilhelmstraße, welche die Gemeinde gerade durch Beschluss des Rates erworben hat, ferner der jüdische Friedhof an der Herchener Straße sowie das jüdische Übernachtungsheim, das sog. Bröltalhaus, spätere Hotel Jagdhaus in Schönenberg.

Seit bald 40 Jahren erinnern die Ruppichterother Bürger, organisiert durch den Bürgerverein Ruppichteroth und die beiden Kirchen jedes Jahr mit einem Schweigemarsch am 09. November an die sog. Reichskristallnacht, in der auch die Ruppichterother Synagoge von Nazis angesteckt worden ist.
Es war vor rd. 40 Jahren die ökumenische Jugend Ruppichteroth, die den Anstoß gab zu diesem Schweigemarsch, den wir jedes Jahr ausgehend von einer unserer Kirchen entlang der Synagoge zum jüdischen Friedhof an der Herchener Straße durchführen. Das Motto heißt: Gedenken-Lernen- Wachsam sein.

Deshalb freue ich mich persönlich als ehemaliger Lehrer und Rektor, dass es wieder die Jugendlichen waren, die letztlich den offiziellen Antrag an den Rat der Gemeinde stellten, für alle ermordeten jüdischen Mitbürger Stolpersteine zu verlegen.
Ich danke der Gemeinde, Herrn Bürgermeister Mario Loskill und dem Rat, dass er dem Antrag einstimmig folgte, so dass Herr Demnig heute mit der Aktion beginnen kann. Ich danke ihm und allen, die diese Aktion als Paten unterstützen, besonders Herrn Wolfgang Eilmes für die ganzen Recherchen, die Kontakte und auch die Organisation.

Meine Damen und Herren, liebe Jugendlichen,

gestattet mir noch ein abschließendes Wort als Neubürgerbeauftragter des Kreistages des Rhein-Sieg-Kreises, der sich aktuell und täglich mit dem Los von Flüchtlingen zu beschäftigen hat: Niemand verlässt seine Heimat aus Spaß und Dollerei!
Es macht mich schon traurig, wenn Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen wegen Krieg, Terror, Menschenrechtsverbrechen, sozialer und/oder wirtschaftlicher Not, wegen Hunger und Ausbeutung, bei uns als „Asyl-Touristen“ diffamiert werden, wenn sie an den europäischen Grenzen keinen Ort der Zuflucht mehr finden, sondern leider nur Orte der Abschreckung, des Stacheldrahts und des Todes, wie das Drama mit vermutlich ca 200 Toten vor der Küste Lybiens kürzlich wieder gezeigt hat.

Ich rufe uns alle, besonders die Jugend auf: Wenn wir nicht wollen, dass sich so etwas wiederholt, an das wir heute mit der Verlegung der Stolpersteine erinnern, dann müssen wir täglich dem Hass und der Gewalt gegen Minderheiten in unserem Land mit Toleranz und Zivilcourage entgegentreten, unsere Grund- und Menschenrechte bewahren: Denn wie heißt der 1. Satz unseres Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar!

Mit Dank an Herrn Demnig danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
 

Words of Welcome by Honorary Mayor Ludwig Neuber

Words of Welcome by Honorary Mayor Ludwig Neuber, spoken in front of the former Gärtner house at Wilhelmstrasse 17

Dear students,
Ladies and gentlemen,
I was asked to speak a word of welcome here as honorary mayor of the community of Ruppichteroth. This is a special honor for me.

It took long, certainly too long for many, until we in Germany, and also we in Ruppichteroth found the strength to deal with our history during the Nazi time.

Our special thanks go local historian Karl Schröder and Pastor Harry Hendriks who reappraised our history by their initiatives, their researches and publications. One of their main focuses was on the history of the Jewish citizens in the community of Ruppichteroth. The end of this is one of the saddest chapters in the history of our country and also of the community of Ruppichteroth.
Today we do not have any more Jewish citizens in the Bröl Valley as all Jewish citizens who could not flee from the Nazis were killed. In order to make sure that these persons will not be forgotten, and remind us to make sure that something like that will never happen again we are today laying the stumbling stones that were donated by citizens and that are being laid by artist Gunter Demnig.

I am happy to be able to welcome guests from the USA and from Sweden who were able to flee in time. They are descendants of the Gärtner family from Wilhelmstraße. All members of the Gärtner family who were not able to flee were killed.

Ruppichteroth has not only reappraised the history of the former Jewish citizens in our town. There are also stone memories that remind us of Jewish life in the Bröl Valley:  among others these are 6 still existing houses of the former Jewish families, the former synagogue in Wilhelmstraße that was just bought by our community on the basis of the decision of our community council. Furthermore there are the Jewish cemetery at Herchener Straße and the former Jewish lodging home, the so called Bröltalhaus, which later was the Hotel Jagdhaus in Ruppichteroth. 
For more than 40 years the Ruppichteroth citizens - organized by the citizen club (Bürgerverein) and the Protestant and Catholic church – have reminded of the so called pogrom night (Nov. 9 1938) in which the Nazis tried to burn the Ruppichteroth synagogue. It was the ecumenical youth group of Ruppichteroth that started the initiative to this silent march. Every year on the 9th of November we do this march starting in one of our churches and continue with a stop at the synagogue to the Jewish cemetery at Herchener Straße. The motto of this silent march is:
Remember - Learn – Be Watchful

This is why I - as a former teacher and headmaster  - am especially glad that it was young people again who finally sent the official request to the council of the community of Ruppichteroth to lay stumbling stones for the memory of all murdered Jewish citizens.
I thank the community, Mayor Mario Loskill and the council of our community who unanimously consented to the request of the students so that Mr. Demnig can today start this project. I thank him and all those who have sponsored this project and especially Wolfgang Eilmes for all his research, for his contacts, and for organizing all this.

Ladies and gentlemen, dear students,
Please allow me a final word as the representative for new citizens of the council of the Rhein-Sieg County, a function in which I have to deal with the lot of refugees every day: Nobody leaves his or her home country just for fun.
It makes me sad when people who must leave their home country  because of war, terror or crimes against humanity, social or economic needs, hunger or exploitation are defamed as „asylum tourists” when they do not find any place of refuge at the European borders but only places of deterrence, of barbed wire, and of death as the drama of supposedly 200 dead people in front of the Libyan coast has recently shown again.
I appeal  to all of us, especially to the young people:
If we do not want to return what we remind of today with the laying of the stumbling stones  we must oppose the daily hatred and violence against minorities in our country by practicing tolerance and civil courage to protect our basic and human rights. Let’s always remember the first sentence of our constitution:

Human dignity is inviolable  

Saying thank you to Mr. Demnig I thank you for listening.  
 

Rede von Pastor Hans-Wilhelm Neuhaus (Evangelische Kirchengemeinde)

Rede von Pastor Neuhaus, gehalten vor dem früheren Haus der Familie Gärtner in der Wilhelmstraße 17 
Die vollständige Rede von Pastor Neuhaus wird Ende August hier veröffentlicht. Sie finden hier und jetzt einige Auszüge aus seiner Rede. Zu Beginn interpretiert Pastor Neuhaus  die Schrift und die Unterschrift von Simon Gärtner (Vorsitzender) auf der 1900 unterzeichneten Gründungsurkunde des Synagogenvereins.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder der Familie Gärtner,
……
Simon Gärtner  unterschreibt bereits in gestochen sauberer lateinischer Schrift und nicht im damals üblichen Sütterlin und ist damit der Zeit voraus.
Von den 14 Unterschriften waren 8 verschiedene Männer der Gärtners Unterzeichnende,was zeigt, wie groß der Einsatz der Familie Gärtner in punkto Gebetshaus und jüdischem Kult gewesen ist.
Gustav Gärtner hat mit schwungvoller Unterschrift, mit Serifen den Vertrag unterschrieben. Das zeigt uns: er war ein einfühlsamer Mann, er hatte eine poetische Ader.
Manches von dieser einfühlsamen Art hat er an seinen Sohn  Herbert weitergegeben, dessen Kinder heute hier stehen.
Die Gärtners haben ihre Kinder in die evangelische Schule geschickt,die in  direkter Nachbarschaft zum Wohnhaus lag. Gustav Gärtner hatte engen Kontakt zu verschiedenen evangelischen Gemeindemitgliedern, wie zum Beispiel dem regimekritischen Gustav Seuthe, der damals wichtige Urkunden und Wertgegenstände u.a. von Herrn Gärtner erhielt, die später über Herrn Bendix wieder
den Nachfahren zugänglich gemacht wurden.
Gustav Gärtner hatte auch zum benachbarten Malermeister Altwicker guten Kontakt, der vorübergehend auch Leiter der Freiwilligen Feuerwehr gewesen ist, aber auch mehrfach half eingeworfene Scheiben der Gärtners zu reparieren.

Es gibt persönliche Notizen von Walter Schenk, der mit seinem Vater sonntags gegen 10.30 Uhr, wenn die Straßen leer waren, weil die einen zum Gau-Treffen gingen und die anderen in den christlichen Gottesdiensten waren, seine jüdischen Nachbarn schnell hereinließ um Lebensmittel zu tauschen bzw. um ein paar Trostworte zu wechseln. Auch Gustav Gärtner war einer seiner regelmäßigeren Besucher.

Schon seit 25 Jahren besuche ich persönlich am 9. November die Gräber auf dem jüdischen Friedhof an der Herchener Straße zur Erinnerung an unsere früheren jüdischen Mitbürger. Wir legen im Rahmen des Schweigemarsches dort einen Kranz und hören meist einen Psalm, der unseren gemeinsamen Glauben verbindet.

Ich persönlich kann nur versprechen mich weiterhin für eine Ökumene mit den Juden einzusetzen. Meine eigene Vorfahren sind polnische Juden, die zwangsweise missioniert und letztlich gegen ihren Willen Christen wurden. Meine Großmutter war eine geborene Kaftan.
Die Aussöhnung von Juden und Christen, die Ausbreitung von Toleranz bzw. der Einsatz für mehr Toleranz zu anders Gläubigen scheint mir ungebrochen wichtigt.
Dafür werden ich weiter einstehen. 

Gott segne Sie. 

Schalom
 

Words of Welcome by Pastor Hans-Wilhelm Neuhaus (Protestant Church)

Excerpts from the „Words of Welcome” by Pastor Hans Wilhelm Neuhaus (Protestant Church) held in front of the former Gärtner House, Wilhelmstraße 17. At the beginning Pastor Neuhaus refers to the founding document of the synagogue and the signature of the grandfather of Susan and Ron who signed as chairman.

Ladies and gentlemen,
Dear members of the Gartner family,
……..
Simon Gartner signs this document in razor sharp clean Latin script rather than the old Sutterlin script that was used by most writers at that time. Doing so he shows that he is ahead of his time.
Of the 14 signatures 8 belong to different members of the Gartner families which shows the deep commitment of the Gärtner families to the house of prayer and Jewish cult.
Simon Gärtner has signed the treaty with his peppy signature. This shows us: he was an empathetic man, he had poetic veins. 

He transferred some of this on his son Herbert two of whose children are standing here today.
Their father Gustav Gärtner sent his children to the Protestant school, which was located right behind their house. He had good contacts to various members of the Protestant community, e.g. Gustav Seuthe, a man very critical of the regime who secretly stored important documents and valuable personal belongings that were later given to the descendants by the Jewish trustee Mr. Bendix.
Gustav Gärtner also had good contacts to neighboring painter Gustav Altwicker  who was head of the fire department for some time and also helped repair smashed windows.
The church archives have  personal notes of  Walter Schenk who with his father – while some others were at party meetings and others were in the church services -   let his Jewish neighbors in to exchange wares and food and a few words of consolation. Gustav Gärtner was one of his regular visitors.
….
For 25 years I have personally visited the graves of our former Jewish citizens on the Jewish cemetery at Herchener Straße on Nov. 9 every year. After silent march starting at one of our churches we stop at the synagogue and then lay down a wreath and listen to a psalm which connects our common beliefs.
Personally I can only promise to keep on working hard for ecumenism with the Jewish community.
My own ancestors are Polish Jews who were proselytized by force and finally became Christians against their will. My grandmother was a born Kaftan.
Reconciliation of Jews and Christians, the spreading of tolerance or rather the commitment to more tolerance seems to me to be of unbroken importance. 

That I will stand for now and in future.
God bless you.
Shalom.  
 

Rede von Markus Neuber, Regionaldirektor VR-Bank Rhein-Sieg

Rede von Markus Neuber Regionaldirektor VR-Bank Rhein-Sieg, gehalten bei der Verlegung der 5 Stolpersteine vor der heutigen VR-Bank Rhein-Sieg (ehemals Haus  Nathan)

Ich möchte als Regionaldirektor der VR-Bank Rhein-Sieg eG gerne ein paar kurze Worte über den Verstorbenen, den von den Nazis grausam Ermordeten, Julius Nathan sagen. 
Vorab möchte ich erwähnen, dass es für uns als VR-Bank eine Selbstverständlichkeit und Ehre zugleich ist, die Patenschaft über den Stolperstein für Julius Nathan zu übernehmen. 
Julius Nathan – geboren am 07.08.1876 in Ruppichteroth und verheiratet mit der am 10.12.1936 verstorbenen Ida Nathan - war Viehhändler und wohl in den 30er Jahren einer der größten Landwirte in Ruppichteroth. Wie im Bilderbuch Ruppichteroth von Autor Wolfgang Eilmes nachzulesen ist, galt Herr Nathan als sehr fairer Kaufmann. Die Viehkaufgeschäfte wurden damals in Waldbröl auf dem Viehmarkt per Handschlag gemacht. Julius Nathan war einer der wohlhabensten Einwohner von Ruppichteroth und hatte neben einigen anderen bereits ein Auto. Dieses wurde aber unter der Naziherrschaft von den Ordnungsbehörden konfisziert. 
Herr Nathan wurde am 18.06.1941 ins Lager Much eingeliefert und von dort nach Köln (Messehallen) deportiert. Wie sich Heinrich Schöpe (ehemaliger Einwohner aus Velken, jetzt Bonn) erinnerte, verabschiedete sich Julius Nathan auf dem Viehmarkt von Schöpes Vater mit den Worten: „Ja, Karl. Jetzt sehen wir uns zum letzten Mal!“ Ein trauriger Abschied und für mich eine furchtbare Vorstellung, wenn ein Mensch erahnt, welch grausamen Weg er nehmen wird.

Julius Nathan kam ins KZ Weimar - Buchenwald. Dort wurde er am 08.07.1942 im Alter von 66 Jahren „auf der Flucht erschossen“. Ein Dokument, welches Herrn Wolfgang Eilmes vorliegt, bestätigt, dass Julius Nathan durch Schüsse in Kopf und Rücken getötet wurde. 

Ich schäme mich für die Mörder und für das Naziregime.
Und ich schäme mich dafür, dass die Menschenverachtung in Teilen Deutschlands, Europas und der Welt wieder Einzug gefunden hat.

 

Speech by Markus Neuber, regional director of VR-Bank Rhein Sieg eG

Speech by Markus Neuber, regional director of VR-Bank Rhein Sieg eG, held on the occasion of the laying of 5 stumbling stones in front of the VR-Bank Rhein Sieg (former house of Julius Nathan)

As regional director of VR-Bank Rhein-Sieg I would like to say a few words about Julius Nathan who was cruelly murdered by the Nazis.
Let me stress that for us as VR-Bank Rhein Sieg eG it was self-evident and at the same time an honor to take over the sponsorship for the stumbling stone for Julius Nathan.

Julius Nathan, born on August 7, 1876 in Ruppichteroth  and married to Ida Nathan (died on December 10, 1936) was a cattle trader and one of the largest farmers in Ruppichteroth in the 1930s. As you can read in „Bilderbuch Ruppichteroth" by author Wolfgang Eilmes Julius Nathan had a reputation as a fair tradesman. At that time cattle deals were made at the cattle market in Waldbröl by handshake. Julius Nathan was one of the wealthiest persons in Ruppichteroth. He - like 4 other businessman in Ruppichteroth - even had a car which was finally confiscated by the Nazi authorities.

Julius Nathan was interned in the camp in Much on June 16, 1942 and then deported  from there to Cologne (Messehallen). As Heinrich Schöpe (former citizen of Ruppichteroth-Velken) remembers Julius Nathan came to say good bye to Schöpe`s father the day before he was taken to the Much camp:„Well, Karl we will not see each other again."

What a sad farewell and for me a terrible thought when you imagine what this man must have gone through knowing what cruel way he would be forced to take.

Julius Nathan was deported to the concentration camp Weimar-Buchenwald where he was „shot while trying to flee" on July 7, 1942 at the age of 66 years.

A document that Wolfgang Eilmes recently discovered confirms that he was shot in the back of his head and his back.

I am ashamed of the murderers and of the Nazi regime.
And I am ashamed that the misanthropy of minorities is again spreading in parts of Germany, Europe and the rest of the world.

 

Grußwort von Daniela Tobias (Solingen)

Grußwort von Daniela Tobias (Solingen), vorgetragen bei der Verlegung des Stolpersteine für ihren Verwandten Hermann Gärtner, Burgstraße 6

Vor sechs Jahren besuchte Robert Tobias das erste Mal mit seiner Familie den Geburtsort seiner Großmutter Irma Gärtner in Ruppichteroth. Während dieser Reise ließ er auf dem Jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd einen Grabstein für seinen Urgroßvater Hermann Tobias aufstellen. Der Metzger aus Hamm an der Sieg war 1940 im Israelitischen Asyl in Köln verstorben. Drei seiner Kinder waren bereits in die USA ausgewandert, der jüngste Sohn hing mit Frau und fünf Kindern in Haaren bei Paderborn fest. Es war niemand mehr da, der sich um sein Grab hätte kümmern können. So ersetzte Rob 73 Jahre später den kleinen Betonstein mit einer Nummer, der dort lag, gegen einen richtigen Grabstein mit Namen.

2016 kam Robert erneut nach Deutschland, diesmal zusammen mit seinem Vater Walter, seinen Geschwistern Karen und Steve, mit Cousinen, Neffen und weiteren Verwandten. Diesmal äußerte er den Wunsch, dass für seinen anderen Urgroßvater Hermann Gärtner in Ruppichteroth ein Stolperstein verlegt werden möge. Denn für Hermann Gärtner gibt es kein Grab. Er flüchtete im Mai 1938 in die Niederlande, aber alle Versuche ein Visum für die USA oder wenigstens für Kuba zu bekommen scheiterten. So wurde der Metzger schließlich über das Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. 1000km weit weg von seiner Heimat Ruppichteroth.

Wir sind froh, dass der Wunsch nach einem Stolperstein in Ruppichteroth auf fruchtbaren Boden fiel und insbesondere die Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule das Andenken an die verfolgten jüdischen Nachbarn zu ihrem Anliegen machten. Rob kann leider aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verlegung teilnehmen, richtet aber allen Beteiligten seinen herzlichen Dank aus.

Was mich in diesen Tagen an der Geschichte von Hermann Gärtner besonders beschäftigt ist die Schutzlosigkeit, die er schon kurz nach der Machtergreifung Hitlers erleben musste. Am 9. März 1933 schickte ein anonymer Schreiber ihm eine Morddrohung: "All Juda, Befehl! Ich habe dich größten aller Schurken vorige Woche noch mal gesehen wo ich dich schon im Morgenlande glaubte. Solltest du aber bis zum 28. ds Mts dich nicht 50km von Rup. entfernt haben, dann werde ich mein Versprechen einlösen und dich in ein besseres Jenseits befördern. Die Kugel ist mir nicht mehr zu schade wie diese Freimarke." Der Brief wurde am 16. März in Waldbröl gestempelt. Hermann Gärtner wandte sich damit an Bürgermeister Hubert Manner. Der leitete das Schreiben am 30. März an Landjäger Latter weiter, der den Brief am 1. April zur Kenntnis nahm.

Statt zu ermitteln, wer Hermann Gärtner nach dem Leben trachtete und ihn zu schützen, wurde er am 1. April 1933 Opfer des landesweiten Judenboykotts. Auch vor seinem Geschäft standen SA-Männer und hinderten Kunden daran, bei ihm Fleisch zu kaufen. Hermann Gärtner ertrug diese Demütigung kaum, betrank sich aus Verzweiflung in den umliegenden Gaststätten und erzählte später einem Nachbarn, er habe gehört, dass in Marburg 300 von Nazis misshandelte Juden im Krankenhaus lägen. Drei Tage später saß Hermann Gärtner in "Schutzhaft", weil er "Gräuelmärchen" über die Partei verbreitet habe und ihn womöglich "der gerechte Zorn" der Parteigenossen treffen könne. Am 7. Juni 1933 wurde er vor dem Sondergericht Köln zu zehn Monaten Haft wegen Vergehens gegen § 3 der Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21.3.1933 verurteilt. Alle Gnadengesuche wurden abgeschmettert, er musste die komplette Haftzeit absitzen.

Für die Familie war dies eine traumatische Erfahrung, alle Sicherheiten zu verlieren. Das Geschäft brach ein, der 16-jährige Sohn Paul und der 90-jährige Vater Simon waren ohne Versorger, die schwangere Tochter Irma dachte gar an Selbstmord. Für Hermann Gärtners Kinder war danach jedenfalls klar, dass es für sie keine Zukunft in Deutschland geben konnte. Sie verließen ihre Heimat. Für ihren Vater gab es jedoch keinen Schutz mehr, nachdem die Nazis im Mai 1940 auch in den Niederlanden einmarschiert waren. Im September 1942 wurde Hermann Gärtner von dort in den Tod deportiert.