Bilderbuch Ruppichteroth

170 Jahre Viehmarkt Waldbröl - Die Bedeutung der jüdischen Händler für den Markt

Aus Anlaß des 170-jährigen Jubiläums des Viehmarktes in Waldbröl am 21.10.2021 finden Sie im Folgenden einen Artikel mit dem Schwerpunkt auf der Bedeutung der jüdischen Händler für diesen Markt.

Auch wenn es schon Berichte von Jahrmärkten in Waldbröl im 14. Jahrhundert  gibt, lässt sich der Geburtstag des heutigen Marktes als Viehmarkt präzise auf das Jahr 1851 datieren. Nach Probeläufen mit 2 Märkten im Jahre 1850 beantragte Landrat Danzier am 30.10.1851 bei der Regierung die Genehmigung von 2 Monatsmärkten, zuerst nur von April bis November, später – und dies bis heute – ganzjährig an jedem 2. Donnerstag.

Warum am Donnerstag?
Ein Grund hierfür lag sicher daran, dass zwei in der Nähe (Westerwald) gelegene etablierte Märkte am Montag und  Dienstag stattfanden. Damit schieden diese beiden Tage aus.  Der entscheidende Grund war aber wohl die Tatsache, dass schon zu Beginn etwa 75% der Viehhändler jüdischen Glaubens waren und dadurch am Freitag vor Beginn des Sabatts mit dem Vieh zu Hause sein mussten. Dadurch bot sich der Donnerstag als der ideale Tag an.
Aus den ersten Jahrzehnten  liegen keine detaillierten Auftriebszahlen vor, lediglich die Gesamtzahl von 233.684 Tieren (Ochsen, Kühe und Rinder, Kälber und Schweine) von 1875 – 1926. Auf das Jahr umgerechnet bedeutet dies einen Durchschnitt von 4.674 Tieren.

Auftriebszahlen des Waldbröler Viehmarktes 1924 - 1941

Zahlenbasis: EcR S. 47, Grafik: Wolfgang Eilmes
In diesen Zahlen enthalten sind: Pferde, Ochsen, Kühe und Rinder, Kälber und Schweine, wobei Kühe und Rinder, Schweine und Kälber die weitaus höchsten Zahlen erreichten.
Am Beispiel des Jahres 1936 sei die Verteilung auf die Tierarten verdeutlicht:

Pferde11
Ochsen179
Kühe und Rinder:13.083
Kälber:    2.337
Schweine8.484

Die Grafik oben zeigt den fast kontinuierlichen Anstieg der Auftriebszahlen von 2.722 Stück Vieh im Jahre 1924 bis zu 24.094 im Jahre 1936.
Die Händler kamen aus dem Westerwald, dem Sauerland, aus Westfalen und natürlich aus dem Oberbergischen, aus Waldbröl und den benachbarten Dörfern, hier vor allem aus Ruppichteroth, Nümbrecht und Rosbach.

Der Waldbröler Viehmarkt ca. 1930

Käufer und Verkäufer kamen oft schon über mehrere Generationen zum Viehmarkt in Waldbröl. Wie schon oben gesagt, waren zu Beginn 75% der Händler jüdischen Glaubens.
 „Der oberbergische Bauer, der auf dem Waldbröler Markt kaufen oder verkaufen wollte, fragte nicht nach der religiösen oder rassischen Zugehörigkeit der Händler, sondern nach ihrer Verlässlichkeit als Menschen“  (EcR  S. 48)

Namen der Händler aus Ruppichteroth, Nümbrecht und Waldbröl, die den Markt in den 1930er regelmäßig beschickten:
Ruppichteroth:
Gustav  Gärtner
Moses und Oskar Hess
Julius und Walter Nathan
Max Isaak
Friedrich Marx
Hermann Gärtner
Jakob, Otto und und Wilhelm Gärtner

Nümbrecht:
Julius und Hubert Baer
Paul Herz
Rudolf, Heinrich und Erich Schmidt (Niederelben)
Karl und Heinrich Drinhausen (Heddinghausen)
Heinrich Stranzenbach (Straße)

Rosbach:
Albert und Julius Simon
Fritz Schmidt und Söhne

Waldbröl:
Hermann Salomon
Jakob Herz
Karl Nickel
Peter und Wilhelm Schneider
Gottfried Steckelbach, Ziegenhardt
August Wirths, Bohlenhagen
Quelle: EcR und bilderbuch-ruppichteroth.de

Beginn der Verdrängung der jüdischen Händler

Ab 1933 (Machtergreifung Hitlers) gab es immer wieder Bestrebungen, die jüdischen Händler vom Viehmarkt zu verdrängen.
So bezichtigte man die jüdischen Händler im Oberbergischen Boten vom 23.5.1934 des Gebrauchs „eines undefinierbaren Kauderwelsches“, das sie benutzen, um „den Deutschen und Nichtkenner zu übertölpeln und zu verwirren. Es dient in erster Linie zur insgeheimen Verständigung der Judenhändler unter sich, wie sie Uneingeweihte am besten schröpfen können.“
Und weiter:
„Der Jude wird in Deutschland lediglich als Gast angesehen, und einem solchen Gast zuliebe wollen wir unsere schöne deutsche Umgangssprache nicht hintenanstellen.“
Da man den jüdischen Händlern nichts Illegales vorzuwerfen hatte, erfand man irgendwelche Regeln (hier: Sprachregeln) gegen die sie angeblich verstießen.
Wie unsinnig diese Vorwürfe waren, ergibt sich aus der Tatsache, dass auch viele andere Berufe und Tätigkeiten ihre Fachsprache hatten und haben, genau so wie gesellschaftliche Gruppen (z. B. junge Leute) auch heute noch ihre eigene Gruppensprache (=Soziolekt) haben, die nur in dieser Gruppe verwendet und verstanden wird.
Fachsprachen mit Fachvokabular kennen wir alle aus dem medizinischen Bereich oder der IT. Fachsprachen dienen sowohl der Präzisierung, der Standardisierung  als auch der Schaffung eines Gefühls der Zusammengehörigkeit der betreffenden Gruppe.
Es ist also keineswegs eine jüdische Besonderheit, dass die Händler eine solche ihnen eigene Sprachvariante benutzten.  Diese als „Kauderwelsch“ oder „Unfug“ zu bezeichnen ist eine unwürdige Beschreibung. Schließlich käme niemand auf die Idee, die auf einem Rezept oder Arztbrief zu findenden medizinischen Fachausdrücke so zu bezeichnen.

Waldbröls ehemaliger Stadtdirektor Otto Budde schreibt zum  Thema Verdrängung der jüdischen Händler (S. 447): „Der Gemeinderat machte sich viele Gedanken über das Problem, den Viehmarkt von „Judenmanieren zu befreien“. In der Sitzung am 23. April 1935 ging man ernsthaft daran, dieses Problem zu lösen. Es sollten als Viehhändler nur noch diejenigen zugelassen werden, die als Händler anerkannt oder Mitglied im Reichsnährstand waren.  … Der gewünschte Erfolg trat nicht ein. Da kam in der Sitzung am 5. August 1937 ein kluges Ratsmitglied auf den Gedanken, dem von Juden aufgetriebenen Vieh einen roten und dem von Ariern aufgetriebenen Vieh einen grünen Stempel zu geben.“

Herbert Klein (Winterscheid) zitiert in seinem Artikel  „Viehhandel, Viehhändler, Viehhändlersprache“ aus einem Bericht der „Rundschau am Sonntag“ von 1989: „Männer gehen durch die Reihen, begutachten die Kühe, die Bullen, finden sich zu zweit und zu kleinen Gruppen zusammen. Knappe Worte, derbe Scherze, das kräftige Klatschen der Handschläge. „Natürlich war die Kuh auf der Weide, was denn sonst?“ Der Interessent zögert. Angebot und Nachfrage verdichten sich dann noch zum Handschlag, mit zwölhundert ist der Handel gemacht. Mit blauer Farbe kriegt die Kuh ein Zeichen aufs Hinterteilt gemalt. Rindvieh und dicke Bündel Geld wechseln die Besitzer." Frau Ann Christin Schulte-Wess (Münster) hat in einer Arbeit am Sprachwissenschaftlichen Institut der Universität Münster die Viehhändlersprache untersucht. Frau Schulte-Wess schreibt, dass diese Viehhändlersprache viele Hebräismen enthält, aber nicht mit Hebräisch gleichzusetzen ist. „Sie ist vielmehr eine Mischsprache, die durch Elemente verschiedener „Spender-Sprachen“ sowie mundartliche, gemeinsprachliche und hochsprachliche Einflüsse geprägt ist."

Hier einige Beispiele aus dieser Arbeit (zitiert nach H. Klein mit freundlicher Genehmigung von Frau Schulte-Wess):

Wo ist die schifchoh?Wo ist die Magd?
Er is schicker.Er ist betrunken.
Der maschores ist mit der meschorse vergasselt.Der Knecht und die Magd sind verheiratet.
Er hat die poroh genabbelt.Er hat die Kuh geschlachtet.
Der schauchet is mechulleh.Der Schlächter ist bankrott.
Nu hot er den dalles.Jetzt ist er bettelarm.
Er war massig-gewul.Er hat seinen Nächsten betrogen.
Er hat sein ketz gekriegt.Er hat sein Fett bekommen.
Ich lass ihn auf den schevuah kommen.Ich lass ihn auf den Schwur kommen.
Ich werde ihn verkoffeln.Ich werde ihn verklagen.
Das sen dumme drosches.Das sind dumme Redensarten.
Wollt ihr eine poroh keiene/kinien?Wollt ihr eine Kuh kaufen?
Was schukt die poroh?Was kostet die Kuh?
Was ist der erach fur die bora?Was ist der Preis für die Kuh?
Was mischkelt sie?Was wiegt sie?
Ist sie koscher?Ist sie gesund und einwandfrei?

 

November 1937: das endgültige Aus für die jüdischen Händler

„Im November 1937 wurde allen jüdischen Viehhändlern die Viehhandelserlaubnis wegen mangelnder Eignung und wegen des Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorschriften entzogen“. (Aus der Geschichte Waldbröls, S. 36)
Wie aus obiger Grafik zu ersehen, brach daraufhin die Auftriebszahl ein, sie sollte nie wieder auch nur ansatzweise das Niveau von 1936 erreichen:
im Jahr 1938 (6.213) betrug die Auftriebszahl nur noch etwa ein Viertel der Zahl von 1936 (24.094).

„Das jüdische Element, das einst einen erheblichen Anteil am Markt hatte, wurde nach und nach ausgeschaltet"

Am 23.11.1938, etwa ein Jahr nach dem Ausschluss der jüdischen Händler, versucht der Oberbergische Bote den hierdurch bedingten starken Rückgang der Auftriebszahlen zu relativieren und legt in diesem Artikel das Hauptaugenmerk auf die aus Autorensicht bedeutende und erfolgreiche Ausschaltung des Einflusses der jüdischen Händler auf den Viehmarkt:
„Der Waldbröler Viehmarkt ist eine alte Einrichtung, von der schon in längst vergilbten Blättern aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts berichtet wird. Der Markt ist weit bekannt; in Zeiten seiner Blüte kamen selbst Händler aus Friesland und Ostpreußen und stellten ihr Vieh zum Verkauf aus. Inzwischen ist eine Wendung eingetreten, der Marktbetrieb ist erheblich zurückgegangen. Das jüdische Element, das einst erheblichen Anteil am Markt hatte, wurde nach und nach ausgeschaltet.Wer das bisher noch nicht verstehen konnte, dem wird die unabwendbare Notwendigkeit dieser Maßnahme durch die Ereignisse der letzten Zeit nun auch wohl klar geworden sein. Wenn man in der Vergangenheit auf diesem Gebiete alles versäumte und der Judenfrage überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkte, vielmehr dem jüdischen Element größte Förderung angedeihen ließ und gedankenlos dem Juden den Viehhandel fast ausschließlich überlassen hat, dann ist es ganz natürlich, wenn es einer längeren Uebergangszeit bedarf, bis sich die Uebernahme in arische Hände vollzogen hat. Niemand aber dürfte im Ernst so töricht sein, zu denken nur die Juden seihen  „befähigt" zum Viehhandel. Zu dumm, überhaupt hieran weitere Betrachtungen zu knüpfen. Die Befähigung der Juden liegt auf anderem Gebiet, nämlich der Übervorteilung und Ausbeutung. ..."  

Schicksale der jüdischen Händler (Bsp. Händler aus Ruppichteroth)

Auch wenn der sich der Viehmarkt mit der Wiedereröffnung nach dem Krieg 1949 wieder erholte, die alte Bedeutung als Großviehmarkt erreichte er nie wieder.  
Die jüdischen Händler kehrten nach dem Krieg nicht wieder zurück. Die meisten von ihnen wurden in den Konzentrationslagern von den Nationalsozialisten ermordet, einigen jüngeren von ihnen gelang die Flucht z. B. nach England, in die USA oder nach Israel.

bilderbuch-ruppichteroth.de hat hierfür die Schicksale der Ruppichterother Händler recherchiert, sie möge hier als Beispiel für andere dienen:

Gustav  Gärtner - ermordet am 09.09.1942 im KZ Theresienstadt im Alter von 69 Jahren
Moses Hess - ermordet am 14.10.1942 im KZ Theresienstadt im Alter von 69 Jahren
Oskar Hess (Sohn von Moses H.) - Rettung durch Flucht in die USA 1939
Julius Nathan -  „auf der Flucht erschossen" im KZ Weimar-Buchenwald am 08.07.1942 im Alter von 65 Jahren
Walter Nathan - Rettung durch Flucht nach Israel, dort gestorben 1970
Max Isaak - ermordet im Vernichtungslager Maly Trostinec/Minsk 1942 im Alter von ca. 60 Jahren
Friedrich Marx - starb im Krankenhaus in Beuel eines natürlichen Todes im Alter von 50 Jahren
Hermann Gärtner - ermordet im KZ Auschwitz am 24.09.1942 im Alter von 66 Jahren
Jakob Gärtner - in Ruppichteroth gestorben am 25.11.1940
Otto Gärtner - ermordet im Vernichtungslager Maly Trostinec/Minsk 1942 im Alter von ca. 59 Jahren
Wilhelm Gärtner - ermordet im Vernichtungslager Maly Trostinec/Minsk 1942 im Alter von ca. 52 Jahren

Ein Marktbesuch aus jüdischer Sicht

Walter (früher Wolfgang) Hess, der mit seinen Eltern nach New York fliehen konnte und den der Autor dieser Zeilen 2018 in New York besuchen konnte, hat in seinem Buch „A Refugee's Journey" in einem der ersten Kapitel beschrieben, wie er 1937 als ca. 6-jähriger Junge den Vater mit 6 Kühen von Ruppichteroth aus zum Viehmarkt in Waldbröl begleitet hat.

Waldbröl ist etwa 10 km vom Hause Hess in der Wilhelmstraße in Ruppichteroth entfernt. Vater und Sohn standen um 4:30 morgens auf, frühstückten und trieben dann die Kühe hinunter zur Brölstraße, wo sie auf dem Weg nach Waldbröl die Auflösung der Nebelbänke im Tal und den Sonnenaufgang erlebten.

Unterwegs erklärt Vater Oskar dem jungen Wolfgang, wie der Viehhandel funktioniert: „Wir verkaufen Kühe. Wir bekommen Geld, und mit dem Geld bekommen wir mehr Kühe. So funktioniert das."

Auf dem Weg durchs Bröltal schneidet Vater Oskar seinem Sohn eine Weidenrute, damit dieser die Kühe besser führen kann: „Achte darauf, dass sie nicht von der Straße abkommen, hinunter in den Bach. Sie mögen das Wasser.“ Auch die wenigen Autos und Lastwagen, die manchmal sogar hupten, waren immer wieder ein Grund für besondere Aufmerksamkeit, weil die Geräusche die Herde erschreckten.
Der junge Wolfgang Hess ist bei der Ankunft in Waldbröl beeindruckt:
„Waldbröl war am Markttag groß, geschäftig und bunt, nicht grau-geschäftig wie Bonn oder Köln, wo ich schon mehrmals gewesen war. Waldbröl hatte das Gefühl eines Dorfes, das unserem sehr ähnlich war, nur um ein Vielfaches größer, und in dessen Mitte der gepflasterte Marktplatz lag. Um zum Platz zu gelangen, kamen unsere Kühe an Blumenständen und Bauernständen vorbei, besucht von den Bäuerinnen in ihren Schürzen.
Die Häuser entlang des Platzes waren bis zu vier Stockwerke hoch. Die Läden trugen Markisen in Rot und Braun, Gold und Blau. Vor den Cafés drängten sich kleine Tische und spinnende Metallstühle, und in der Mitte des Marktes standen gewölbte metallene Viehstützen wie so viele bewegungslose und mürrische Teenager in der Schule, die Hände in den Hosentaschen. Rund um die Rungen standen große Karren und Wagen mit blökenden Schafen und Kälbern. Bauern warfen Heu und Stroh in die Wagen. Mein Vater fand leere Rungen und fütterte sie mit den Köpfen unserer Rinder. Jetzt versammelten sich die deutschen Bauern um meinen Vater. Einige trugen knielange Stiefel, andere lange graue Mäntel.
„Nun, Oskar, wie geht's? Und wer ist dieser Spatz? Das Geschäft lernen? Willst du seine schönen Schuhe ganz mit Kuhfladen bedecken?“ …
„Jetzt auf dem Markt standen ein Bauer und mein Vater dicht beieinander und sahen sich direkt in die Augen. Dann fingen sie an, ihre Hände hart aufeinander zu schlagen – von den Schultern abwärts krachten ihre Handflächen ineinander. Bei jedem Schlag rief jeder Mann nacheinander eine Nummer. Ihr Ruf war auf Hebräisch oder Deutsch-Jiddisch, beide: „Kof nun“, Klatsch! „Mem lahm“, klatsch! Bei jedem Klatsch wurde eine Nummer angerufen. Mein Vater fing hoch an, der Bauer niedrig; mein Vater kam herunter, der Bauer rauf. Sie trafen sich irgendwo in der Mitte, wo beide wussten, dass sie sich treffen würden, und der Deal war abgeschlossen, eine Kuh wurde verkauft. Beide schüttelten ihre heißen Hände vom Handgelenk und lächelten. Die beiden gingen dann zu den spinnenartigen Tischen und feierten den Verkauf mit einem Schnaps. Mein Vater kam zurück und dann, mit einem anderen Bauern, begann das Schlagen von vorne.“

Wenn die Tiere mittags verkauft waren, machten sich die Ruppichterother Händler wieder auf den Rückweg zu Fuß nach Ruppichteroth. Bei schlechtem Wetter oder bei besonders guten Verkaufsergebnissen nahm man auch schon mal die Bröltalbahn.

Die Waldbröler Viehhändler besuchten auch Märkte in Bonn und Koblenz

Eine Anzeige im General-Anzeiger Bonn von 1897 belegt, dass die Viehhändler aus Ruppichteroth, Nümbrecht und Eitorf auch den Viehmarkt in Bonn besuchten. Natürlich sind sie dorthin nicht wie nach Waldbröl zu Fuß gegangen. Sie konnten dazu die Bröltalbahn (1862 - 1954) nehmen, die ja von Waldbröl über Hennef bis an den Rhein nach Beuel führte. Einige Schienen sind dort am Rheinufer  noch heute vorhanden.
Die Händler zogen dann zu Fuß weiter bis zum heutigen Friedensplatz in der Innenstadt, der damals den namen „Viehmarkt" trug und diese Funktion von 1715 - 1929.

In seinem oben erwähnten Buch schreibt Wolfgang/Walter Hess, dass sein Vater gelegentlich auch den Viehmarkt in Koblenz besuchte. 

Der Waldbröler Markt heute - vom Viehmarkt zum Krammarkt

Auf dem heutigen Markt werden in der 1983 erbauten Markthalle nur noch Zuchtgeflügel sowie Haus- und Jungtiere angeboten. Der Markt hat sich vom Viehmarkt zu einem immer noch im 2-wöchigen Rhythmus stattfindenden meist sehr gut besuchten Krammarkt mit bis zu 150 Händlern entwickelt.
Die Gesamtlänge des Marktgeländes beläuft sich auf 1.500 m. Marktbetreiber ist seit 2007 die „Wir für Waldbröl GmbH“.

Der Waldbröler Vieh und Krammarkt gilt als der größte regelmäßig stattfindende Markt seiner Artin Westdeutschland. Im Schnitt kommen bis zu 15.000 Besucher aus einem Umkreis bis zu 50 Kilometern.
Die meisten Stellpätze sind - oft seit Genartionen in festen familiären Händen. Kurzfristig freigewordenen Plätze sind heißbegehrt und werden jeweils 7 Uhr vom Marktmeister vergeben. Bei der zuteilung greift zunächst das Prinzip "bekannt und bewährt", wenn Artikel und Konzept in das angebotene Konzept passen.

Feiertage ausgenommen - dann ist Freitag Markttag - findet der Markt jeden zweiten Donnerstag im Monat von 7 bis 13 Uhr statt.

Aktuelle Informationen zum Markt finden Sie unter www.wir-fuer-waldbroel.de

 

Quellen:
Karl-Egon Siepmann, Günter Härting, Werner Engelbert, Et chitt Rähn, (EcR) 150 Jahre Vieh und Krammarkt Waldbröl 1851 - 2001
Aus der Geschichte Waldbröls, Heft 13/1987, herausgegeben von der Raiffeisenbank Waldbröl eG
Otto Budde, Waldbröl – Wie es wurde, was es ist, 1981
Walter Hess, "A Refugee's Journey", New York 2018, Übersetzung der Zitate: Wolfgang Eilmes
Herbert Klein,Viehhandel, Viehhändler, Viehhändlersprache, in Jahrbuch 2018 Heimatverein Winterscheid, S. 22 - 30
Schulte-Wess, Ann Christin, Die Viehhändlersprache in Westfalen und im nördlichen Rheinland, 2007
www.bilderbuch-ruppichteroth.de – Jüdische Geschichte
Stephan Propach,Kölner Stadt-Anzeiger, „Von den Bauern sehr geachtet",  22.10.2021

Bilder:
Archiv Karl Schröder
Otto Heise Slg. Ulrich Clees
Wolfgang Eilmes