Bilderbuch Ruppichteroth

Fam. Erich Bendix

Aufmerksame Leser haben mich gefragt, warum eine weitere jüdische Familie aus Ruppichteroth nicht unter „Jüdische Familien in Rupp.“ aufgelistet ist, nämlich die Familie Erich Bendix.
Dies hat einen einfachen Grund: in dieser Liste habe ich nur die Familien eingetragen, die zwischen 1933 (= Machtergreifung Hitlers) und 1942 (die letzten jüdischen Familien haben Ruppichteroth verlassen) in Ruppichteroth lebten.
Die Familie Bendix lebte in diesen Jahren nicht in Ruppichteroth, sondern ist erst 1944, als alle anderen jüdischen Familien den Ort verlassen hatten, nach Ruppichteroth gekommen.  
Erich Bendix ist älteren Ruppichterothern noch bekannt als Steuerberater und  Treuhänder für jüdische Familien. Er hatte sein Wohnung und ein Büro  in der Wilhelmstraße 17 (heutiges Haus Lepach, früher Haus Moses Hess).

Familie Bendix, Köln

Der jüdische Bürger Erich Bendix wurde am 14.2.1899 geboren und lebte zusammen mit seiner nichtjüdischen Ehefrau Elisabeth B., geb. Rolshoven (geb. 12.9.1908), in Köln. 

Er war dort vom 15.4.1931 – 17.4.1933 als Geschäftsführer bei der Interessengemeinschaft des Mittelstandes für den Regierungsbezirk Köln beschäftigt.
Als viele jüdischen Mitbürger nach der Machtergreifung Hitlers 1933  ihre Beschäftigung  verloren, traf dies am 17.4.1933 auch Erich Bendix (offizielle Begründung: „weil er bei den Behörden als unliebsam empfunden wurde“). „Wegen seiner rassischen Abstammung konnte er nach 1933 eine selbständige Tätigkeit nicht mehr aufnehmen.“
Am 3.3.1943 wurden Erich und Elisabeth Bendix zusammen mit Sohn Max Bendix (geb. 27.8.1934) in eines der sogenannten Judenhäuser* in Köln (Utrechter Str. 6) eingewiesen. 
Erich Bendix und seine Familie lebten hier unter strenger Aufsicht der Nationalsozialisten mit regelmäßigen Kontrollen und Durchsuchungen der Zimmer und der persönlichen Gegenstände der Bewohner bis zum 10. September 1944. Erich Bendix hatte in den Wochen zuvor einen Tipp bekommen, dass die Deportation in ein Konzentrationslager für ihn und seine Familie  bevorstand. 

Flucht nach Ruppichteroth-Heide

Daraufhin flüchtete die Familie Bendix am 10.9.1944 nach Ruppichteroth, wo sie in Ruppichteroth-Heide bei dem ebenfalls aus Köln hierhin verzogenen Musiker Schumacher, einem Bekannten der Familie Bendix,  in Räumen der Heider Familie Wirths unterkam, die die Familie Bendix hier vor den Nazis versteckte.
Laut Schreiben des Amtes Ruppichteroth wurde der Ort Heide „am 8.4.1945 von amerikanischen Truppen besetzt. Am 12.4.1945 wurde Erich Bendix dem Machtbereich der nationalsozialistischen Staaten entzogen, da mit diesem Zeitpunkt das Aufhören der Kämpfe der Amerikaner, die den Ort besetzt hielten, feststand."

Wohnhaus, Büro, Bethaus in der Wilhelmstraße 17

Nach Kriegsende erhielt Erich Bendix die Zulassung als Steuerberater (am 28.11.1946). Er zog mit seiner Familie in das frühere Wohnhaus der jüdischen Familie Moses Hess und betrieb dort bis Mitte der 50er Jahre ein Büro für Steuerberatung und wirkte als Treuhänder für zahlreiche jüdischen Familien aus dem gesamten Rheinland und aus dem Ausland, denen er bei der Beantragung von Entschädigungsansprüchen behilflich war.   
„1947 wurde … das Haus in der Wilhelmstraße Nr. 17, Bethaus für die überlebenden Juden des Siegkreises.  Es waren damals noch 20, die aus der großen Zahl von 664 des Jahres 1933 übriggeblieben waren." (Karl Schröder 2006)

*Als Judenhaus wurden in der Behördensprache des nationalsozialistischen Deutschen Reichs Wohnhäuser aus (ehemals) jüdischem Eigentum bezeichnet, in die ausschließlich jüdische Mieter und Untermieter zwangsweise eingewiesen wurden.(Quelle: wikipedia.org)

Auch in Ruppichteroth gab es 1941/42 ein Judenhaus: Die Nationalsozialisten erklärten hierzu das Haus der Fam. Isaak, Mucher Straße 31.

Quellen:
Wiedergutmachungsakte Bendix beim Archiv des Rhein-Sieg-Kreis:  ARSK, SK, Nr. 4999
Schröder, Karl, Synagogenverein Ruppichteroth, in: Jahresheft 2005/2006, Bürgerverein Ruppichteroth

Schild am Eingang zum früheren Haus Hess, ab 1945 Haus Bendix: Synagogen Gemeinde Siegkreis (s. oben Bild 1)

Erich Bendix und die Synagogengemeinde des Siegkreises mit Sitz in Ruppichteroth

Dr. Heinrich Linn schreibt im Jahre 2001 über Erich Bendix:
„In Siegburg ergriff Erich Bendix die Intitiative für einen Neubeginn. ... Die Bemühungen von Erich Bendix um einen Neuanfang in Siegburg begannen auf politisch-sozialem Gebiet. Er gehörte von Anfang an der „Fürsorgestelle für ehmalige politische Gefangene" an, die bereits am 6.Juni 1945 von der Miltitärregierung eingerichtet worden war  ... Bendix „vertrat" in dem der Fürsorgestelle beigegebenem Ausschuß „die rassisch Verfolgten". Er gehörte dem ersten berufenen Kreistag des Siegkreises an.

Seine politische-soziale Aktivität dehnte Erich Bendix ein halbes Jahr später konsequenterweise auf den religiösen Sektor der seiner Fürsorge anvertrauten rassisch verfolgten Verfolgten aus, der Juden im Siegkreis. Am 27. Januar 1946 rief er die in den Siegkreis zurückgekehrten Juden zusammen, um die Synagogengemeinde des Siegkreises wieder zu begründen (Anm.: mit Sitz in der Wilhelmstraße in Ruppichteroth, s. Foto oben). Es waren „13 jüdische Menschen, die sich aus den Konzentrationslagern, der Emigration und aus den Verstecken im Siegkreis wieder zusammenfanden. Es bestand Hoffnung, dass es Bendix gelingen würde, über seine weitreichenden Beziehungen zum Ausland und durch sein Organisationsgeschick - er war früher „Landessportleiter des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten" gewesen - emigrierte Juden zur Rückwanderung in die Heimat zu bewegen. ... Die Zahl der Gemeindemitglieder, die über den gesamten Siegkreis verstreut lebten - bis hinauf nach Rosbach/Sieg - betrug in ihrem Höchststand nur 26 Personen, sank dann bis zu Beginn der fünfziger Jahre durch Tod und Abwanderung auf 14 ab."
Da aus diesem Grund ein regelmäßiger, offizieller Gottesdienst nicht möglich war, beschloß die Synagogengemeinde Siegburg am 17. August 1947 auf ihrer Mitgliederversammlung im Sitzungssaal des Landratsamtes die Kooperation mit der Synagogengemeinde Bonn.
„1954 wurde dann im Einvernehmen mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Nordrhein ... die Synagogengemeinde (des) Siegkreis(es) aufgelöst. Seit diesem Zeitpunkt gehören die wenigen Juden in Siegburg und im (seit 1969:Rhein-) Sieg-Kreis zur Synagogengemeinde Bonn."
Quelle: Die Geschichte der Juden in Siegburg im Lichte der neueren Forschung, Dr. Heinrich Linn, Manuskript abgeschlossen April 2001)

Mecki (Max) Bendix

Sohn Max Bendix besuchte – als Klassenkamerad von Karl Schröder – das Hollenberg -Gymnasium in Waldbröl. Vielen Ruppichterothern war er in den 50er Jahren bekannt als Pilot, der oft mit einem kleinen Sportflugzeug seine Runden über Ruppichteroth drehte und zur Begrüßung mit den Tragflächen des Flugzeuges winkte.

Max (=Mecki) Bendix wurde Berufspilot und starb 1963 bei einem Flug in den Alpen.

Erich Bendix lebte und arbeitete in Ruppichteroth bis 1956, als die Fam. zurück nach Köln zog. Frau Bendix behielt eine Wohnung bei der Fam. Pack (Wilhelmstraße), wo sie mit ihrer Schwester (Frau Weins, später Bregulla) wohnte. Erich Bendix starb in Köln im Jahre 1957 im Alter von nur 58 Jahren.