Bilderbuch Ruppichteroth

Kriegsende in Ruppichteroth 1945 - Augenzeugenberichte von Helmut Zimmermann („Blöckchen")

Frühjahr 1945: Tieffliegerangriff auf eine Motorradgruppe der Nazis auf der Brölstraße

Im Frühjahr 1945, als die amerikanischen Truppen schon am Rhein lagen, hatte sich eine motorisierte Einheit von Bonn nach Ruppichteroth abgesetzt, die NSKK - (Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps). (Anm.:  Diese paramilitärische Unterorganisation der NSDAP mit um 1940 ca. 500.000 Mitgliedern war seit 1934 der unmittelbaren Führung durch Adolf Hitler unterstellt). Diese Motorradfahrer hatten ihre Fahrzeuge in der Eitorfer Str. vom Werk II an bis zur Einmündung zur heutigen Villa von Horst Willach abgestellt. (Diese Villa gab es zu dieser Zeit natürlich noch nicht, es führte nur ein Feldweg zu einer Wiese hin). 
Ich stand vor der Apotheke, als der Fliegerangriff losging. Ein Flugzeug kam über den Höhenzug aus Richtung Höhe/Altenherfen über die heutige Hirschbitze (wo damals noch keine Häuser standen) heruntergeschossen und beschoss die Fahrzeuge der NSKK. Man konnte die Geschossgarben genau sehen, denn jede 4. Patrone war eine Leuchtspurpatrone. Die letzten Patronen schlugen auf der Wiese ein, wo heute das Haus des verstorbenen Dr. Ernst Willach steht. Das frühere Haus Zünder, heute EP Müller, stand noch nicht. Das Flugzeug wendete mehrfach und flog immer wieder von der Höhe/Altenherfen aus um die Fahrzeuge zu beschießen. Erst als alle Fahrzeuge zerstört waren, drehte der Flieger ab. Soweit mir bekannt, wurden keine Personen getötet oder verwundet. Eine Kugel ging am rückwärtigen Fenster der Apotheke herein und am Fenster vorne wieder heraus. Ich habe mich natürlich nicht von der sicheren Position vor der Bruchsteinwand der Apotheke weggetraut.

8.4.1945: Ankunft der Amerikaner auf der heutigen Hirschbitze

Es war ein schöner Frühlingstag, als ich die ersten Amerikaner sah. Ein Trupp ging auf dem „Nassen“ in Richtung Gebrüder Willach. (Auf dem Nassen ist jetzt die Siedlung Untere und Obere Hirschbitze), damals nur eine Wiese. Die Bäume an der Eitorfer Straße waren noch ganz klein, sodass man einen freien Blick hatte auf die Wiese. Kurze Zeit später waren dann die Soldaten auch bei uns am Hotel zur Krone. Gekämpft wurde nicht, da die deutschen Soldaten abgezogen wurden. Panzersperren am Ortseingang in Höhe von Tor 1 bei Huwil Werk I wurden nicht geschlossen. Ein Bauer und Gastwirt aus Kuchem in SA Uniform versuchte noch bei meinem Onkel Matieu (er war Offizier im 1. Weltkrieg), der in den letzten Kriegstagen Ortskommandant in Ruppichteroth war, die Genehmigung zu erhalten die Panzersperren zu schließen. Mein Onkel verweigerte ihm sein Ansinnen, da abzusehen war, dass der Krieg verloren ging, so dass der Einmarsch der Amerikaner in Ruppichteroth ohne Kampf erfolgte. Lediglich töteten die Amis einen Kradmelder auf der Kreuzung Brölstraße/Eitorfer Str./Pfarrgasse vor dem damaligen Haus Repsch, heute Werkstatt WMS.

Nach Kriegsende: Kontakte zu den Amerikanern


Wir waren froh, dass der Krieg endlich vorbei war, Wir waren natürlich auch traurig, dass wir den Krieg verloren hatten. Die amerikanischen Soldaten kamen auch und fragten, ob im Hause noch deutsche Soldaten seien und ob sie etwas zu trinken bekommen könnten, Meine Tante Hilde, die perfekt Englisch sprach, da Sie an der Westfront als Dolmetscherin tätig war, unterhielt sich mit den Soldaten. Wir sollten das Haus räumen, da eine Deutsche Flakstellung aus Hambuchen Ruppichteroth noch beschoss. Tante Hilde erreichte jedoch, dass wir im Hause bleiben konnten, wohl auch weil wir einen Gewölbekeller hatten und dort einigermaßen sicher waren. Wir hatten in den letzten Kriegstagen alle im Keller gelebt und auch geschlafen, waren nur zum Kochen nach oben gekommen. Die Amerikaner waren sehr vorsichtig: meine Tante musste erst von dem Apfelsaft trinken, ehe die Amis tranken. 

Einige Amerikaner gingen mit Funkgeräten auf den Speicher um besseren Empfang zu haben, die Tante musste immer mitgehen. Die übrigen Bewohner der Brölstraße mussten ihre Häuser verlassen und sich am Eiskeller (in der Nähe des heutigen Hallenbades) außerhalb des Dorfes in Sicherheit bringen. Eine Vorsorgemaßnahme der Amerikaner um die Zivilbevölkerung zu schützen. Nach ein bis zwei Tagen konnten die Nachbarn dann zurück in ihre Häuser gehen. Die Amerikaner waren zu uns Kindern insbesondere und auch zu der Zivilbevölkerung immer freundlich und korrekt. Die kämpfende Truppe mit jeder Menge Panzer und Fahrzeuge zog dann ab, und nach einigen Tagen kam dann eine amerikanische Einheit die sich für mehrere Tage in Ruppichteroth aufhielt. Wir mussten unser Haus verlassen innerhalb von einer halben Stunde, wir konnten so viel wie möglich in dieser halben Stunde mitnehmen. Wir kamen gegenüber bei Familie Schewe, einer Freundin meiner Mutter, unter (früheres Haus Dr. Pach). 

Mai 1945: Nach dem Abzug der Amerikaner – Kaugummi, Kekse und Zigaretten


Nach ca. 6 Tagen waren die Amerikaner dann abgezogen und wir konnten wieder in unser Haus. Das große Aufräumen begann, denn die Amerikaner hatten das Haus natürlich auf den Kopf gestellt und die restlichen Alkoholika ausgeräumt. Wir als Kinder haben uns aber über die von den Amis vergessenen Gegenstände gefreut wie Kaugummi und Frontkämpfer-Päckchen mit Schokolade, Keksen usw. Die Zigaretten haben wir verkauft. Die Amerikaner rauchten ihre Zigaretten teilweise nur zur Hälfte und schmissen die Kippen fort. Wir sammelten diese und entnahmen den Tabak um ihn weiter zu verkaufen. Filterzigaretten gab es damals noch nicht. Nach 14 weiteren Tagen kam der nächste Trupp Amerikaner und wir mussten erneut wieder ausziehen und das Aufräumen ging von vorne los.

Juni 1945: Erste belgische Truppen in Ruppichteroth

 
Mitte 1945 kam dann eine Vorhut von Belgischen Besatzungstruppen die in Ruppichteroth Quartier machten. Unser Hotel war natürlich als das größte Haus als oberstes auf der Liste der Quartiermacher. Es wurde uns gesagt, dass wir auf einem Zimmer wohnen bleiben könnten. Als jedoch nach einigen Tagen die restliche Einheit mitten in der Nacht eintraf und der Kommandant, der in unserem Hause einquartiert war, hörte, dass noch Zivilisten im Hause waren - meine Mutter und meine Schwester und ich schliefen schon - wurden wir geweckt und mussten innerhalb einer Stunde das Haus verlassen haben. Der Kommandant saß auf unserem Betten und wartete ungeduldig, bis wir endlich mit so viele Sachen wie wir tragen konnten, das Haus verlassen hatten, denn er war schon tagelang unterwegs und müde. Wir standen praktisch auf der Straße. Die erste Nacht haben wir im dann in einem Büro der Fa. HUWIL auf Matratzen geschlafen. Nach einigen Tagen haben wir dann ein Zimmer bekommen im früheren jüdischen Haus Gärtner (heute Kaltenbach ). Dort wohnte eine Frau Ley, die uns ein Zimmer abgegeben hat. Die Großtante Minna ging für die Zeit der Einquartierung zu Ihren Nichten nach Hennef. Meine Mutter und meine Schwester schliefen in dem Zimmer. Ich hatte eine Schlafmöglichkeit bei Frau Ley.  Alles war sehr beengt. Da inzwischen der Schulbetrieb wieder angelaufen war und ich in dieser Enge Schulaufgaben machen musste, war ich doch durch die Anwesenheit meiner kleinen Schwester sehr genervt. Sie war damals 3 Jahre alt. 
Im Garten unseres Hotels hatten die Belgier einen Fahnenmast aufgestellt, an diesem wurde von den Belgiern jeweils zum Appell eine Fahne gehisst. Und jeder, der vorbeiging musste die Fahne grüßen. Wer dies nicht tat, wurde geschlagen. Die Ruppichterother mieden deshalb die Brölstraße, die Belgier sperrten sodann Wege im Oberdorf, um die Leute zu zwingen die Brölstrasse zu benutzen und an der Fahne zu grüßen. Für uns war das natürlich eine schwierige Zeit. Es gab wenig zu essen, das Klo war übern Hof, ein Plumpsklo, wir mussten erst auf die Straße, dann in den Hof, wo die Toilette war.

Nach dem Abzug der Belgier fehlte Porzellan für 200 Personen, Möbel und Einrichtungsgegenstände, aber …….

Im Hof hatten die Belgier einen Kohleherd aufgestellt, wo für die Soldaten unter freiem Himmel gekocht wurde. Auf dem Herd stand ein großer Kessel mit heißem Fett. Wenn der Ofen nicht richtig brannte, schüttete der Koch eine Kelle mit heißem Fett in die Feuerung, damit der Ofen besser brannte. Im Frühjahr 1946 zogen die Belgier dann Gott sei Dank wieder ab und wir konnten in unser Haus zurückkehren. Uns hatte keiner Bescheid gesagt. Die Soldaten waren einfach abgezogen, das Haus stand leer. Dann ging das Aufräumen und Säubern los. Wir hatten vor der Besatzung Porzellan für 200 Personen, als wir zurückkamen, hatten wir nur noch eine Tasse im Schrank und dieser fehlte auch noch der Henkel. Auch waren die besten Möbel und Einrichtungsgegenstände verschwunden. Nachbarn erzählten uns, dass eine Frau aus einem Nachbardorf, die bei den Belgiern gearbeitet hatte, diese Sachen zu sich nach Hause gebracht hatte. Daraufhin hatte meine Mutter diesen Verdacht bei der deutschen Polizei angezeigt und einen Hausdurchsuchungsbeschluss erwirkt. Sie machte daraufhin mit der Polizei eine Hausdurchsuchung. Und deklarierte die Sachen, die Ihr gehörten. Unsere Möbel und Gegenstände mussten zurückgegeben werden. Die Leute wurden sodann bestraft, sie wollten sich noch damit herausreden, die Soldaten hätten Ihnen die Sachen geschenkt. Während wir in der Zeit der belgischen Besatzung bei Frau Ley wohnten, hatten uns Nachbarn, die dort in einem Behelfsheim wohnten und einen Schuppen bauten, von unserem rückwärtigen Hotelgebäude die Dachziegel abgenommen, um damit ihren Schuppen zu decken. Wir konnten nichts sagen, da wir praktisch rechtlos waren, Als wir später diesen Gebäudeteil an die Familie Zünder vermieteten, mussten diese die Ziegel ersetzen, damit es nicht reinregnete. Reparaturen waren damals schwierig, da zu dieser Zeit Baumaterial so gut wie nicht zu bekommen war.

Nach dem Krieg – wir zündeten eine Handgranate

Nach dem Krieg lag an jeder Ecke Munition herum, Handgranaten usw. Wir fanden eine Eierhandgranate und entschlossen uns, mit dieser im Brölbach Fische zu fangen. Wir gingen zum Tümpel unterhalb vom Buch, denn dort war das Wasser besonders tief. (Den Tümpel gibt es heute nicht mehr, er wurde im Laufe der Bachbegradigungen verfüllt). Wir betätigten den Abzugshebel und warfen die Handgranate in Richtung Tümpel. Die Handgranate fiel jedoch nicht in den Tümpel, sondern fiel ca. 2 Meter vor den Tümpel auf die Wiese. Wir gingen sofort in Deckung hinter einer Bodenwelle auf der Wiese und warteten auf die Detonation der Handgranate. Da wir wohl nicht richtig abgezogen, hatten blieb die Detonation aus. Nach einer Weile nahmen wir die Handgranate wieder auf, zogen sie richtig ab und warfen sie in den Tümpel, wo sie sodann mit einer Wasserfontäne explodierte. Unterhalb fischten wir dann die toten Forellen - ca. 4 Stück - aus dem Bach.

Quelle: „Was ich Euch immer schon mal erzählen wollte – Eine Lebensgeschichte aus der Erinnerung aufgeschrieben von Helmut Zimmermann“ (1933 – 2016). 
Helmut Zimmermann („Blöckchen“) war Gastwirt und Besitzer des früheren Hotels zur Krone an der Brölstraße in Ruppichteroth. In der Startphase von bilderbuch-ruppichteroth.de war er einer der wichtigsten Informanten. Ein Exemplar seiner „Lebengeschichte“ hat er bilderbuch-ruppichteroth.de vermacht. 8 seiner Erzählungen haben wir in Bilder Ruppichteroth Band 2 veröffentlicht. Ein Portrait finden Sie im gleichen Band auf den Seiten 102 – 103.