Bilderbuch Ruppichteroth

Als Flüchtlinge in Ruppichteroth - Fam. Maxton

Berlin > Warthegau > Oldenburg > Ruppichteroth

Fam. Maxton lebte bis 1943 in Berlin.
„August 1943 : wegen der häufigen Bombenangriffe auf Berlin werden alle Mütter mit Kindern evakuiert. Hildegard Maxton (die Mutter) zieht mit ihrem gesamten Hausstand – Hitler glaubte zu diesem Zeitpunkt noch an einen deutschen Endsieg und plante später Reichsdeutsche in die noch zu erobernden Gebiete auszusiedeln – in den Osten um. Die Familie wurde in die obere Lehrerwohnung einer Schule in Waldowsee (polnisch Suchatowka ) Kreis Agenau im Warthegau ( liegt zwischen Thorn und Hohensalza ) eingewiesen. In der unteren Wohnung lebte die aus Lettland stammende deutsche Lehrerin (Frau Scheffel mit ihrer Mutter ), denn es gab in Waldowsee viele volks- und einige reichsdeutsche Familien. Als ab  Weihnachten 1944  immer mehr Trecks mit deutschen Flüchtlingen aus dem Osten durch Waldowsee nach Westen zogen, fuhr Hildegard Maxton 2 mal vergeblich zum Kreisleiter nach Hohensalza um die Genehmigung zu erhalten , mit ihren 4 Kindern ( 9 , 8, 5 und 3 Jahre alt ) ebenfalls nach Westen aufzubrechen; die Ablehnung wurde damit begründet, das sei „Wehrkraftzersetzung“, gleichbedeutend mit Fahnenflucht. Mutter hatte aber schon vorsorglich  Pakete mit Bettwäsche, Handtüchern usw. zu einer Schulfreundin auf einem Hof  im Oldenburgischen geschickt. Am Morgen des 20.1.1945, einem kalten Wintertag mit hohem Schnee,  kam sie wieder mit dem Rad von einem solchen vergeblichen Bittgang  ( man hatte sie beruhigt und gesagt, unsere Region sei nur Aufnahmegebiet für die Trecks ).
Von Waldowsee (im Warthegau) ging die Flucht Richtung Westen, wo Mutter und Kinder Ende Februar / Anfang März 1945 das Ziel, den Bauernhof  einer Schulfreundin von Hildegard Maxton. In Neuenkirchen i. Oldenburg erreichten.
Vater Alfred Maxton wurde als Diplomingenieur, der noch an seiner Zusatzausbildung zum Patentanwalt in Berlin arbeitete,  erst 1943  zum Kriegsdienst in Italien  - als  Dolmetscher und Kraftfahrer  - verpflichtet. Er gelangte zu Fuß über die Alpen und die Schweiz, z.T. auf Kohlenwagen hockend,  im Juni  1945  zu seiner Familie in Niedersachsen.

Aus Niedersachsen nach Ruppichteroth

Alfred Maxton war von dem Onkel seiner Frau angeboten worden, dessen Patentanwaltskanzlei in Köln zu übernehmen. Die Bürovorsteherin war Hanni Weiand aus Ruppichteroth (aus der Familie des Klempners Bruno Weiand im Haus gegenüber der katholischen Kirche ); sie hatte die wichtigsten Akten der Kanzlei nach Ruppichteroth gerettet und wurde  deswegen von Alfred Maxton schnellstmöglich aufgesucht. In einer Dachstube im Hause Weiand  begann er seine Tätigkeit und suchte  von hier, später auch von dem zerbombten Köln aus, die alten Mandanten auf. Frau Weiand blieb bis zu ihrem Ruhestand Bürovorsteherin, und Margot Fronzek, die mit ihrer Familie als Flüchtlinge  aus Schlesien nach Velken gekommen war, begann als Lehrling im Büro.

Alfred Maxton holt seine Familie nach Ruppichteroth

Um seine Familie nachholen zu können , mietete  Alfred Maxton eine Wohnung im ehemaligen Haus Schorn an der Brölstraße. Als jedoch der Umzugswagen mit der 6 köpfigen Familie am 1.5.1946 vorfuhr, war der vorige Mieter nicht ausgezogen. Zunächst brachte Familie Weiand die Familie unter, kurz darauf boten ihnen der Fabrikant und Dipl.Ing. Friedrich Willach und seine Frau Lotte eine Baracke auf  dem Werksgelände von GEWIRU an; hier überlebte die Familie in „eigenen 4 Wänden“ den schweren  Winter 1946/47 dank der Care-Pakete von Vaters Schwestern aus Argentinien (Zigaretten, Schokolade und Kaffee wurden wichtige Tauschobjekte ) und mit Hilfe von Lotte Willach. Gelegentlich ließen auch amerikanische Soldaten,  wenn sie mit ihren Pferdefuhrwerken aus den Wäldern kamen , einen Stamm auf die Straße rollen; in den beiden Schlafzimmern ( 4 Betten standen den 6 Menschen zur Verfügung ) waren die Außenwände der Baracke an den kalten Tagen zunächst klatschnass, dann glitzernd gefroren; von den Decken hingen die Eiszapfen, der Kohlenherd in der Küche war bis auf sonntags die einzige Wärmequelle; Schwaden vom Kochen und der nur schlecht trocknenden Wäsche versetzten die Küche oft in eine undurchsichtige Nebelkammer; in den von Außen zugängigen Keller hatte A.M. einen Heizlüfter aufgehängt und diesen mit einem Kabel , das durch das darüberliegende Fenster ins Barackeninnere führte, verbunden, trotzdem erfror ein Großteil der kostbaren Vorräte . Der schwere Toilettenkübel mußte am anderen Ende des Werksgeländes entleert werden.  – Aber wir hatten Kaninchen !

Flüchtlinge = „Pläcker“ – Integration damals

Wenn auch manche Einheimische die Flüchtlinge als Pläcker bezeichneten, gab es doch viel Hilfsbereitschaft von Seiten der Ruppichterother: Gegenüber der früheren Gastwirtschaft Seuthe an der  Mucher Str.  wurde ein Wiesenstück umgebrochen, das mühsam bearbeitet wurde; die  fünfjährige Jüngste der Familie, Susanne,hatte die Aufgabe, dafür Pferdeäpfel zu sammeln und den weiten Weg von GEWIRU zum Bacherhof  bei Wind und Wetter alleine  zurückzulegen um 1 – 2 l Milch „heil“  zurückzubringen. Die unmittelbaren Nachbarn Will spendierten gelegentlich eine Scheibe Graubrot mit Margarine und warmen Apfelmus. Der unterernährte Sohn, Alfred, durfte nach der Schule eine Zeit lang bei Gastwirt/Landwirt Günter Seuthe (Mucher Str. ) eine warme Mahlzeit einnehmen.

Mutter Maxton hat in dem  extrem kalten Winter in der Krautpatsche Stranzenbach  Rüben geschrubbt, um einige Rüben als Lohn mitnehmen zu dürfen. Sie mußte dazu vorher die Eisschicht auf der Regentonne zerschlagen um mit bloßen Händen im eiskalten Wasser zu arbeiten. Sie half in der Gemeinde und fuhr mit dem evangelischen Pastor Rehmann hinten auf dessen „Herrmännchen“ zu den entlegenen Dörfern, um dort die aus Amerika gespendeten Altkleider zu verteilen.

Kindheit und Schulzeit in Ruppichteroth

Das grüne Haus auf der Heide wurde frei, die Musikerfamilie Schumacher  (Herr Schumacher  war Mitglied im Gürzenichorchester) zog wieder nach Köln,  und Maxtons konnten bereits Weihnachten 1947  in ihm feiern und lebten in guter Nachbarschaft mit den 3 Bauernfamilien : Stommel „oben“, Wirges und Stommel „unten“. Von hier aus fuhren die beiden Schwestern, Karin und Margret mit dem Bähnchen nach Waldbröl zum Hollenberggymnasium; sie konnten wegen Überfüllung zunächst nicht aufgenommen werden und wurden das Schuljahr der 5. Klasse , die Sexta, privat von  Herrn Biermann und dessen Kollegen in den Hauptfächern unterrichtet und auf die Quinta vorbereitet. Beide Lehrerfamilien  - Herr Biermann war mit der Schwester von Friedrich Willach verheiratet  , sie hatten eine Tochter Edda  und Sohn Horst – wohnten im Hauptgebäude auf dem Werksgelände. Später  besuchten auch die beiden jüngeren Kinder das Hollenberggymnasium;  Susanne hat alle 4 Grundschuljahre in Ruppichteroth in  der evangelischen Schule mit Herrn Richarz und Fräulein Mönich verbracht und erinnert sich noch gut an die tägliche Schulspeisung . Bis zu ihrem Umzug  nach Köln am 2.1.1952 fuhren die Kinder zum Klavierunterricht nach Benroth, zum Geigenunterricht nach Waldbröl zum Cellounterricht nach Köln.

Auch heute noch starke Bindung an Ruppichteroth

Der Wechsel nach Köln war für die beiden großen Schwestern so schmerzlich, daß Vater Maxton der Familie versprach, sobald als möglich ein Wochenendhäuschen ( z.B. ein Holzhäuschen im Ausmaß einer Jagdhütte ) in Ruppichteroth zu bauen. Aus dem Grundstückskauf einer Parzelle in der Nähe der Eitorfer Straße  wurde nach und nach das heutige Anwesen. Schon 1953 verbrachte die Familie die Sommerferien dort und danach fast jedes Wochenende bis zum Tod  am 9.5.1978 von Alfred Maxton: seine Frau Hildegard, gestorben am 10.5.1979  und er wurden auf dem Ruppichterother evang. Friedhof bestattet. In der evangelischen Kirche wurden von dem mit der Familie eng befreundeten Pastor Rehmann 3 Maxtonkinder konfirmiert, 3 Maxtonkinder und 1 Enkel getraut und 9 Maxtonenkel getauft. Inzwischen gehört das Anwesen dem Enkel Hans Georg v. Zezschwitz, der es für die Familie erhält. Die Großfamilie Maxton fühlt sich immer noch in Ruppichteroth ( jetzt bereits in der 5. Generation ) zuhause und trifft sich 2 x im Jahr in der „Ollen Use“, die vor 65 Jahren  für einige zur Heimat wurde."