Bilderbuch Ruppichteroth

Ansprache von Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber am 27.1.2022

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
für mich als Ehrenbürgermeister der Gemeinde Ruppichteroth und langjährigen Pädagogen an der Grund- sowie der Hauptschule Ruppichteroth ist es eine ehrenvolle Aufgabe, das Schlusswort der heutigen Veranstaltung sprechen zu dürfen, am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz am 27.01.1945 durch die sowjetische Armee.
„Gedenken-Lernen-Wachsam sein“ war und ist unser Motto für den Schweigemarsch, den wir seit Jahren jeweils am 09. November zur Erinnerung an das Geschehen in der sog. .Reichskristallnacht“ auch hier in Ruppichteroth veranstalten.
Im Wechsel starten wir in der katholischen oder evangelischen Kirche und gehen nach einer besinnlichen Einführung vorbei hier an der ehemaligen Synagoge zum jüdischen Friedhof an der Herchener Straße. Zu diesem Schweigemarsch laden jedes Jahr ein: Der Bürgermeister, Der Bürgerverein Ruppichteroth, Die Katholische und die Evangelische Kirchengemeinde.
Wir erinnern und gedenken, dass auch hier in Ruppichteroth die jüdische Bevölkerung ausgegrenzt, verfolgt und ihr Bethaus, ihre Synagoge von Nazis angezündet wurde. Es war der Auftakt für ihre Vertreibung und Vernichtung.

Die historischen Forschungen und Veröffentlichungen unseres unvergessenen Heimatforschers Karl Schröder waren die Anregungen und Grundlagen für den Heimatforscher Wolfgang Eilmes, der aufbauend auf diese Arbeiten tiefer und breiter in das dunkelste Kapitel unserer Heimatgeschichte eingedrungen ist, bis hin zu persönlichen Treffen in den USA mit ehemals Ruppichterother Juden, die diese Zeit persönlich oder in der eigenen Familie erfahren mussten. Alle, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, wurden ermordet.
Heute in unserer Demokratie und Freiheit haben wir die Chance, dass die Menschen, vor allem unsere Jugend erfährt und begreift, wozu Menschen fähig und auch bereit sind, wenn sie durch Ideologien dazu verführt werden, anderen Menschen Böses anzutun.
Unsere Ökumenische Jugend war es damals, die den Jährlichen Schweigemarsch angeregt hat.

Und es waren wieder Jugendliche, nämlich die Schülerinnen und Schüler unserer Sekundarschule Nümbrecht-Ruppichteroth, welche die Aktion „Stolpersteine" beim Rat der Gemeinde vorgetragen haben, der dieser Anregung einstimmig folgte.
Wie das Wort „Stolpersteine“ schon sagt, soll man darüber stolpern und an dieses Unrecht, diese Verbrechen erinnert werden.

Am 20. Januar wurde in allen Medien an die sog. „Wannseekonferenz“ erinnert, den grausamen Höhepunkt der national-sozialistischen Diktatur in Deutschland, an dessen Endpunkt rd 6 Mio ermordete Juden in Deutschland und den von Deutschen eroberten Gebieten Europas standen. Darunter waren auch unsere ehemaligen jüdischen Nachbarn, die hier geboren wurden, hier zur Schule gingen, hier arbeiteten und ihrem Beruf nachgingen und ganz normal am gesellschaftlichen Leben teilnahmen. Ihre Namen und Schicksale wurden eben durch die Jugendlichen verlesen.
Die Beschlüsse der Wannseekonferenz waren der endgültige Schritt von der Ausgrenzung zur Auslöschung der jüdischen Bevölkerung durch staatlich organisierten Mord.
Wir sagen heute: „Nie wieder = never again!“

Doch was müssen wir tun, dass sich so etwas nie wiederholt?
Das, was war und geschehen ist, können wir nicht mehr ändern. Doch wir können und müssen die Gegenwart und Zukunft beeinflussen.
So stehen wir heute hier vor der ehemaligen Synagoge, wo wir die Anregung der Eheleute Peter und Marion Reinecke aus Nümbrecht aufgreifen können und sollten, nämlich „Grundsteine“ zu setzen, auf denen wir die Zukunft aufbauen können. Denn „Die Reineckes möchten“, so schrieb kurz vor Weihnachten eine Oberbergische Zeitung, „an die Vergangenheit mit Blick in die Zukunft anknüpfen. In Ruppichteroth könnte ein „Lehrhaus“ entstehen, in dem über das Judentum informiert wird.“ Und dafür gilt dieses Haus, die ehem. Synagoge als geeigneter Ort.
Ich bin dem Rat der Gemeinde dankbar, dass er, als sich die Gelegenheit bot, das geschichtsträchtige Gebäude für die Gemeinde erworben hat, und zwar mit einstimmigem Beschluss.
Denn es eröffnet uns die Chance, von der Vergangenheit einen wichtigen Schritt in die Zukunft zu tun, auch in eine christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Grundlage all unseres Handelns muss dabei unser Grundgesetz sein, dessen erster Satz heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Es heißt nicht, die Würde des Deutschen, sondern eben jedes Menschen ist unantastbar.
Wie bekommen wir dies nachhaltig und unauslöschlich in die Köpfe und vor allem in die Herzen der Menschen eingepflanzt?
Ich meine:
Vor allem durch die Erziehung und Bildung unserer Kinder und Jugendlichen. Dies geschieht im Elternhaus, von der Kita über die Grund- und weiterführenden Schulen bis hin zur Berufsbildung und zum Studium, eben durch die Wirkung und Mitwirkung der Eltern, der Pädagoginnen und Pädagogen, schließlich durch die gut informierte und aufgeklärte Bevölkerung. Ich appelliere deshalb an alle:
Lasst uns diese Chance nutzen! Denn
„Wenn die Erinnerung verblasst, besteht die Gefahr, dass sich so etwas wiederholt." Das sagt der Dichter Erich Kästner, der selbst unter den Nazis gelitten hat.
Es bleibt mir nun noch zu danken: Herrn Abraham Lehrer, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland für seinen Besuch und seine Worte.
Danken möchte ich allen, die an der Vorbereitung und Durchführung dieser Gedenkfeier beteiligt waren und sind.
Allen wünsche ich einen guten Heimweg und danke für die Teilnahme und Aufmerksamkeit.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Ehrenbürgermeister Ludwig Neuber.
 

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