Bilderbuch Ruppichteroth

6. September 1870 - vor 150 Jahren wurde der Streckenabschnitt Ruppichteroth – Waldbröl eröffnet

Ein Anfang gegen das drohende Ende - ein Artikel von Ulrich Clees (Bonn)

„Brölbähnchen“: Dieser liebevolle Name hat sich im Bröltal für die Eisenbahn von Hennef nach Waldbröl entlang der Bröltalstraße eingebürgert. Aus ihm spricht die enge Beziehung der Bevölkerung an ihr „Bähnchen“, das auch ganzen Generationen von Familien Arbeit und Lohn brachte. Allerdings wird die Verniedlichungsform der Bedeutung der Bröltalbahn für die Entwicklung des Eisenbahnwesens nicht gerecht: Die bescheidene Bahn nahm in den 1860er Jahren eine international beachtete Vorreiterrolle ein. Wie es aber so mit Innovationen ist: Manchmal ist ihre Zeit schon schnell wieder vorbei. So wäre es auch im Bröltal fast gewesen. Bei ihrer Rettung spielte die Streckenverlängerung von Ruppichteroth nach Waldbröl eine entscheidende Rolle. Ihre Eröffnung nun 150 Jahre her.

Immer wieder neue Streckenabschnitte

Es mangelt der Brölthaler Eisenbahn, wie die Rhein-Sieg Eisenbahn in ihren ersten Jahrzehnten hieß, nicht an Eröffnungsdaten. Immer wieder wurden neue Streckenabschnitte eröffnet oder kamen gar ganze Strecken hinzu, namentlich Ende des 19. Jahrhunderts, als die in den Jahren 1862 bis 1870 gebaute Stammstrecke durchs Bröltal um Strecken in den Westerwald, nach Siegburg und Bonn ergänzt wurde und sich die Streckenlänge vervielfachte.

Weltweite Aufmerksamkeit für das Brölbähnchen

Trotzdem ragt der 6. September 1870 heraus. Wenig mehr als 10 Kilometer war die Strecke von Ruppichteroth nach Waldbröl lang, die an diesem Tag eröffnet wurde, und dennoch steht sie für die Flucht nach vorn, ohne die die so innovative Eisenbahnunternehmen schon nach wenigen Jahren wieder zugrunde gegangen wäre.
„Die Preußen haben etwas noch Besseres erfunden als das Zündnadelgewehr. Sie haben das richtige Modell für eine Zubringerbahn getroffen“: So formulierte es The South Australien Register, damals Australiens größte Zeitung, am 16. Juni 1869. Das Zündnadelgewehr war eine der wichtigsten militärischen Erfindungen dieser Zeit, und das, was als noch besser bezeichnet wird, ist nicht mehr und nicht weniger als die Bröltalbahn.
[4] Leider sind keine Fotos aus der Frühzeit der Bahn bekannt. Doch noch Jahrzehnte später konnte man sich einen Eindruck von der Situation der ersten Jahre machen: Die Bröltalstraße ohne feste Fahrbahndecke, sondern nur makadamisiert, also mit einer verdichteten Schotter- und Splittdecke versehen, die Bahn hart am Straßenrand im Gegenverkehr zum Straßenverkehr. (Foto (Sommer 1935): Wilhelm Hannes, Slg. Herbert Hannes)
Mit dieser Wertung war die Zeitung vom anderen Ende der Welt nicht allein: Die kleine Bahn, die ihre Wägelchen ab 1862 das Bröltal mit Pferden hinaufzog, zu denen sich im folgenden Jahr eine Lok gesellte, zog die internationale Fachwelt an. Allüberall fragte man sich, ob das gutgehen konnte: Eine Bahn hart am Straßenrand? Wie reagierten Pferde und andere Zugtiere auf die Züge, besonders auf die Dampfloks? Und überhaupt: In anderen Ländern hatte man für einen sicheren Bahnbetrieb die Spurweite von der Regelspur 1435 mm ausgehend vergrößert. Und jetzt Lokomotivbetrieb auf nur 785 mm Spurweite? Das sollte gutgehen?
Ja, das sollte es. Die Fachwelt reiste aus der Schweiz, aus Österreich, Ungarn, Polen, sogar aus Ostindien an, um die Machart und Technik der Bahn zu studieren. Eine russische Kommission reiste durch Europa, um von ausländischen Schmalspurbahnen zu lernen und kam dafür ins Bröltal sogar ein zweites Mal.
 

Rückgang und Ende der Erztransporte ab 1860

Über diese Besuche durch Fachleute wissen wir leider fast nichts. Was wir aber wissen ist, dass sich die Brölthaler Eisenbahn zu dem Zeitpunkt, als sich das Ausland für ihre technischen Innovationen und auch ihre Wirtschaftlichkeit begeisterte, schon in steilem wirtschaftlichem Sinkflug befand. Zwar war sie im Gegensatz zu technisch vergleichbaren Eisenbahnen von Anfang an eine öffentliche Eisenbahn, es konnte also jedermann seine Frachten von ihr transportieren lassen, doch war sie de facto von den Eisenerz- und Kalktransporten für die Friedrich-Wilhelms-Hütte in Troisdorf abhängig, für die sie ja auch gebaut worden war. Diese Transporte brachen aber schon Ende der 1860er Jahre ein, weil sich die Eisenerzvorräte im Saurenbacher Tal bei Schönenberg als weniger ergiebig erwiesen hatten als erwartet. Zudem konnten Erz und Kalk inzwischen woanders billiger abgebaut und nach Troisdorf transportiert werden.
Auf diese Weise hatte die Brölthaler Eisenbahn schon nach wenigen Jahren ihre Existenzberechtigung verloren. Schon nach diesen wenigen Jahren hätte die Geschichte enden können.
An dieser Stelle kommt der Waldbröler Landrat Maurer ins Spiel: Schon 1861, also schon während des Baus des ersten Streckenabschnitts von Hennef nach Schönenberg und ins Saurenbacher Tal, warb er für eine Verlängerung der Bahn bis Waldbröl. Und schon am 1. Februar 1865 kann er in der Waldbröler Zeitung vermelden, dass er Handelsminister eine staatliche Beihilfe von 15.000 Talern in Aussicht gestellt habe.
Wie die Brölthaler Eisenbahn zu diesem Zeitpunkt zu einer Verlängerung nach Waldbröl stand, lässt sich bislang nicht beurteilen. Fakt ist aber, dass sie Maurers Vorschlag letztlich aufnahm, eine Staatsbeihilfe von sogar 60.000 Talern annahm und die Bahn nach Waldbröl verlängerte. Am 6. September 1870 ging die Strecke von Ruppichteroth nach Waldbröl in Betrieb.
 

Zunahme des Personentransportes anstelle der Eisenerz- und Kalktransporte

Dass sie mit der Streckenverlängerung nach Waldbröl die Flucht nach vorn angetreten hatte, sollte die Bahngesellschaft nicht bereuen, ebenso wenig wie die Einführung des geregelten Personenverkehrs am 16. September 1872 (zuvor schon konnte man im Personenwägelchen der Bahnarbeiter mitfahren).

Das Ende: 1953/1954

Immer mehr wurde die Brölthaler Eisenbahn eine „normale“ Eisenbahn. Und obwohl sie sich seit 1921 Rhein-Sieg Eisenbahn (RSE) nannte, sprach man im Bröltal bis zuletzt vom „Brölbähnchen“. Die entlang der Strecke u.a. in Bröl, Ruppichteroth und Waldbröl in den letzten Jahren entstandenen Denkmäler und Infotafeln und das Museum der Rhein-Sieg Eisenbahn in Asbach zeigen, dass sie bis heute nicht vergessen ist, obwohl der letzte Personenzug von Waldbröl nach Ruppichteroth schon am 31. Januar 1953 fuhr und auch der Güterverkehr auf der Schiene 1954 endete. Nicht zuletzt ihr einstiges Pfund, die Lage hart am Straßenrand, hatte ihr den Garaus gemacht. Für Straße und Bahn war kein Platz mehr.

Das Museum in Asbach

Die Diesellok V13, eine der bis dahin eingesetzten Dieselloks, aber auch die mächtige Dampflok 53, die 1944 ihre Probefahrt von Hennef nach Waldbröl machte, können heute im Museum der Rhein-Sieg Eisenbahn im Bahnhof Asbach besichtigt werden (www.museum-asbach.de). Das im letzten erhaltenen RSE-Bahnhofs-Ensemble aus Empfangsgebäude, Lokschuppen und Güterschuppen aufgebaute Museum ist jeweils am zweiten Sonntag der Monate April bis Oktober von 11 bis 17 Uhr geöffnet, im Jahr 2020 also noch am 13. September und 11. Oktober. Der Eintritt ist frei. Bei trockenem Wetter können Groß und Klein auf der Gartenbahn durchs Museum fahren.
Die Museumsmacher sind daran interessiert, neue alte Bilder, Unterlagen und Erzählungen der Rhein-Sieg Eisenbahn kennenzulernen (sowohl vom Bahn- als auch vom Lkw- und Busbetrieb). Auch ergänzen sie gerne Ihr Verzeichnis von mittlerweile mehr als 600 Angestellten der Rhein-Sieg Eisenbahn, das im Museum eingesehen werden kann. Kontakt: Ulrich Clees, Telefon 0228-2423365, ulrich.clees@museum-asbach.de.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Herrn Ulrich Clees. Vielen Dank.